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Getarnter Scharfschütze auf dem Dach: In Davos gelten strenge Sicherheitsmaßnahmen.

Foto: Reuters

Das Timing ist bemerkenswert. Kurz vor seinem mit Spannung erwarteten Auftritt beim Weltwirtschaftsforum in Davos hat Donald Trump begonnen, seine America- First-Politik wahrzumachen.

Laut einer vom US-Präsidenten unterzeichneten Anordnung werden künftig auf importierte Waschmaschinen bis zu 50 und auf diverse Solarmodule bis zu 30 Prozent Strafzölle erhoben. Die Entscheidung geht auf eine Beschwerde des US-Herstellers Whirlpool zurück. Das Unternehmen warf seinen südkoreanischen Konkurrenten LG und Samsung vor, den US-Markt mit Waschmaschinen zu überfrachten, die unter Marktpreisen verkauft werden. Eine ähnliche Beschwerde wurde aus der Privatwirtschaft gegen chinesische Solarhersteller eingebracht.

US-Medien berichteten vom Vorstoß Trumps als Strafmaßnahme gegen China und Südkorea. Trumps Antifreihandelsrhetorik zielt tatsächlich zumeist auf China ab. Betroffen von den Maßnahmen sind allerdings auch Hersteller aus allen EU-Ländern, also auch Österreich. Bei der EU-Kommission war von einem "bedauerlichen" Schritt die Rede. Man habe "ernsthafte Zweifel", ob die US-Vorgehensweise den Regeln der Welthandelsorganisation WTO entspricht, heißt es auf Anfrage des STANDARD. Damit könnte ein Handelsdisput der EU gegen die USA bevorstehen. Wie sich die Maßnahmen wirtschaftlich auf Europa auswirken, werde derzeit noch evaluiert.

Sorge bei Österreichs Wirtschaft

Bei der Wirtschaftskammer in Österreich heißt es, dass heimische Unternehmen in der Solarindustrie betroffen sein dürften. Nicht nur Hersteller von Solarpaneelen, auch Zulieferer könnten die Maßnahmen zu spüren bekommen. Aktuell versuche man sich ein Bild zu machen. Erschwert werde dies dadurch, dass noch nicht ganz klar sei, welche Produkte exakt betroffen seien.

Sicher ist, dass viele europäische Unternehmen mit Sorge nach Washington blicken.

Bisher vor allem rhetorische Schranken

Dumping-Vorwürfe hin, protektionistische Maßnahmen her: Bis dato hat die Trump-Administration den Handel eher rhetorisch beschränkt. Auch wenn die Folgen des Ausstiegs der USA aus dem transpazifischen Handelsabkommen TPP oder die Neuverhandlung des Nordamerika-Vertrags Nafta noch kaum abschätzbar sind, eine Kehrtwende weg von der Globalisierung kann derzeit nicht beobachtet werden.

So sprach der Chefökonom des französischen Kreditversicherers Coface, Julien Marcilly, anlässlich einer Konferenz am Dienstag in Paris sogar von einem Rückgang globaler protektionistischer Maßnahmen im Vorjahr.

Die USA setzten zwar deutlich öfter Schritte zur Abschottung, doch machten diese nicht einmal die Hälfte der Aktionen aus dem Jahr 2012 aus, erklärt der Volkswirt. Was hinzukommt: Die Beschränkungen Washingtons wurden von anderen Staaten überkompensiert. Marcilly verweist auf die Liberalisierung in vielen Regionen, nennt ein Abkommen für Handelserleichterungen zwischen Mexiko und Brasilien sowie Argentinien für Agrarprodukte und die Fortschritte der EU bei der Erstellung von Handelsverträgen mit Japan und Mexiko.

Welthandel legt deutlich zu

Dem Welthandel konnte Trump bis jetzt nichts anhaben. Mit einem Plus von 4,4 Prozent war die Dynamik im Vorjahr dreimal größer als 2016. Mit einem von Coface heuer auf 3,7 Prozent geschätzten Plus werden die globalen Aus- und Einfuhren weiter deutlich zulegen.

Solche Prognosen sind mit Risiken verbunden. Der Bestsellerautor und frühere Berater des britischen Premiers Tony Blair, Alistair Campbell, brachte die größten Gefahrenherde in seiner französischen Keynote bei einem Vortrag in Paris so auf den Punkt: "le Brexit et le Donald".

Wie ernst es Trump mit seiner Antifreihandelsrhetorik meint, dürfte sich in den kommenden Wochen entscheiden. Im April 2017 hat Trump sein Handelsministerium ersucht zu bewerten, ob Stahlimporte in die USA die Verteidigungsbereitschaft des Landes schwächen, weil für den Kriegsfall nicht genug inländisches Material zur Verfügung steht. Anfang Jänner erhielt Trump die Antwort: Ja, eine Gefährdung ist gegeben.

Nun hat der Präsident 90 Tage Zeit zu handeln. Die Stahlindustrie ist für Chinas Wirtschaft enorm wichtig. Sollten die USA also Zölle erheben, hätte das großes Konfliktpotenzial. Die USA sind aber auf die Vermittlung der Chinesen im Nordkorea-Konflikt angewiesen. Ob Washington also wirklich handeln wird, ist unklar.

Wirbel um US-Protektionismus in Davos

Der US-Präsident wird am Donnerstag in Davos erwartet. Dank seiner protektionistischen Politik beherrschte er die Debatten bereits am Dienstag. Indiens Regierungschef Narendra Modi kritisierte bei seiner Eröffnungsrede auf dem Weltwirtschaftsforum, dass "die Kräfte des Protektionismus ihre Köpfe gegen die Globalisierung erheben".

Andere Staaten scheinen angesichts der neuen US-Politik enger zusammenzurücken. Nach dem Ausstieg der USA wollen die elf verbliebenen Partnerstaaten das transpazifische Freihandelsabkommen TPP im März ohne die USA besiegeln, wie am Dienstag bekannt wurde. Dem neuen TPP werden unter anderem Chile, Vietnam, Japan, Kanada, Neuseeland, Brunei und Mexiko angehören. (Andreas Schnauder aus Paris, András Szigetvari, 22.1.2018)