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"Wir wollen unsere Zukunft zurück", steht auf dem Spruchband. Der Brexit spaltet die Briten.

Foto: Reuters/HANNAH MCKAY

Im Vorfeld der nächsten Verhandlungsrunde mit Brüssel wächst der parteiinterne Druck auf Theresa May. Die konservative Premierministerin sei führungsschwach und ohne Konzept, beklagen bisher loyale Unterhaus-Abgeordnete. Die Brexit-Hardliner haben sich auf das Finanzministerium eingeschossen, weil eine dort erarbeitete Expertise bestätigt, dass jede mögliche Variante des geplanten EU-Austritts das Land ärmer machen wird.

Während in den Oppositionsparteien verschiedene Optionen vom Verbleib im Binnenmarkt bis zum Exit vom Brexit durchgespielt werden, dreht sich die Kontroverse bei den Torys um den möglichen Verbleib in der Zollunion. Dieser würde das bisher ungeklärte Problem der inneririschen Grenze zwischen Nordirland und der Republik im Süden lösen, aber den britischen Handlungsspielraum für neue Freihandelsverträge einengen. Der zuständige Handelsminister Liam Fox ist dagegen; Finanzminister Philip Hammond wünscht sich hingegen eine "möglichst geringe" Abweichung zwischen den eng verflochtenen Volkswirtschaften Großbritanniens und der Rest-EU.

Die von Brexit-Gegnern vor dem Referendum prognostizierte Rezession ist dank robuster Weltwirtschaft ausgeblieben, allerdings war die Wachstumsrate zuletzt schwach wie seit 2012 nicht. Das der Presse zugespielte Papier aus Hammonds Haus unternimmt den gewagten Versuch, den Brexit-Effekt auf das britische Wirtschaftswachstum der kommenden 15 Jahre zu prognostizieren.

Alle Optionen schlecht

Regierungsökonomen kommen zu dem Schluss: Alle Optionen machen das Land ärmer. Selbst wenn Großbritannien trotz EU-Austritt im Binnenmarkt bliebe, was May stets ausgeschlossen hat, wäre das Wachstum um zwei Prozent geringer als beim Status quo. Im Fall des harten Brexit, also Austritt aus Binnenmarkt und Zollunion, betrüge die Differenz fünf Prozent, im Katastrophen-Szenario eines Ausscheidens ohne Anschlussvereinbarung mit Brüssel läge sie bei acht Prozent.

Das Papier hat das Misstrauen der EU-Feinde gegenüber May in Paranoia umschlagen lassen. Angestachelt vom Hinterbänkler Jacob Rees-Mogg, der gern von Brino, also "Brexit in name only" (auf Deutsch: Brexit nur dem Namen nach) redet, zweifelte Brexit-Staatssekretär Steve Baker im Parlament die Integrität der traditionell neutralen Beamtenschaft an; tags darauf mußte er sich zwar entschuldigen, die eigentlich fällige Entlassung blieb aus.

21 Prozent wollen Rees-Mogg als Premier

In parteiinternen Umfragen wünschen sich 21 Prozent der überalterten Tory-Mitglieder den Chef-Verschwörer Rees-Mogg als Premier – einen Mann, der im Unterhaus wegen seines Upper-Class-Akzents, seiner Nadelstreifenzweireiher und seiner reaktionären Ansichten scherzhaft als "Abgeordneter für das 18. Jahrhundert" bekannt ist. Auch gemäßigte Torys wie der frühere Staatssekretär Nick Boles ("uninspiriert") oder Churchill-Enkel Nicholas Soames ("langweilig") nehmen Anstoß am Schlingerkurs der May-Regierung.

Bei ihrer Rückkehr von einer dreitägigen Chinareise wurde die 61-Jährige am Freitag mit dem jüngsten Cover des Tory-nahen Wochenmagazins Spectator konfrontiert. "Lead or Go", heißt es da: Die Premierministerin müsse sich "wie ein Anführer benehmen oder zurücktreten".

Bei den Austrittsverhandlungen soll es kommende Woche um die von London gewünschte Übergangsperiode von "rund zwei Jahren" nach dem offiziellen Austrittstermin Ende März 2019 gehen. EU-Chefunterhändler Michel Barnier wird darauf pochen, dass Großbritannien weiterhin alle Rechte und Pflichten in Anspruch nimmt, darunter auch die vereinbarten Zahlungen in die Gemeinschaftskasse, ohne aber am Konferenztisch mitzubestimmen. (Sebastian Borger, 3.2.2018)