Deutsche Metallarbeiter erhalten bald mehr Lohn.

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Wien – Nach sechs Verhandlungsrunden und dem ersten ganztägigen Warnstreik in der Geschichte des größten deutschen Industriezweigs ist der Tarifstreit der Metaller beendet. Die Gewerkschaft IG Metall und die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie haben sich nach finalen 13 Stunden am Verhandlungstisch in der Nacht auf Dienstag auf mehr Lohn und flexiblere Arbeitszeiten geeinigt.

Der erzielte Abschluss über zwei Jahre mit einem Lohnplus von 4,3 Prozent für die maßgebende Region Baden-Württemberg, soll in den wichtigsten Punkten von den anderen Bezirken für knapp 3,9 Millionen Beschäftigte übernommen werden.

Günstiges Klima

Die Verhandlungen fanden in einem konjunkturell günstigen Klima statt. Die deutsche Wirtschaft soll laut Ifo-Institut 2018 um 2,6 Prozent wachsen und angesichts voller Auftragsbücher soll die Industrie fast sechs Prozent mehr in Ausrüstungen stecken, also auf Langzeitinvestitionen setzen. Im Fokus der Verhandler stand nicht nur der Lohnzettel, sondern auch die Work-Life-Balance der Beschäftigten und die Bedürfnisse der Betriebe angesichts der vollen Auftragsbücher. Das Ergebnis im Detail:

  • Mehr Lohn: Der Tarifvertrag läuft über 27 Monate. Bis inklusive März des laufenden Jahres wird ein Pauschalbetrag von 100 Euro pro Person ausgezahlt, Lehrlinge erhalten 70 Euro. Ab 1. April greift die Erhöhung von 4,3 Prozent. Ab 2019 gibt es dann eine Einmalzahlung von 400 Euro plus 27,5 Prozent des Monatsentgelts. Dieser ist allerdings nicht in Stein gemeißelt. Läuft es für ein Unternehmen wirtschaftlich schlecht, darf die Auszahlung der 400 Euro verschoben oder sogar gestrichen werden.
  • Kürzer arbeiten: Beschäftigte der deutschen Metallindustrie haben ab 2019 Anspruch darauf, ihre Arbeitszeit zwischen sechs Monaten und einem Jahr von 35 auf bis zu 28 Wochenstunden zu verkürzen, mit Rückkehrrecht. Zusätzliche freie Tage soll es für Kinderbetreuung, Pflege sowie für Schichtarbeiter geben. Die Unternehmen können dies jedoch bei Schlüsselarbeitskräften ablehnen.
  • Länger arbeiten: Damit Auftragsspitzen bedient werden können, dürfen künftig mehr Mitarbeiter als bisher möglich bis zu 40 statt den normalen 35 Stunden pro Woche arbeiten. Bisher ist das, je nach Region, auf 13 bis 18 Prozent der Beschäftigten begrenzt. Diese Quote wird künftig auf das Arbeitszeitvolumen umgelegt – so kann beispielsweise eine Halbzeitkraft den Weg für drei Mitarbeiter mit jeweils fünf Stunden mehr freimachen. Der Betriebsrat behält dabei ein Einspruchsrecht.

IG-Metall-Chef Jörg Hofmann betonte, dass der Abschluss den Beschäftigten eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ermögliche. Die Zeit gehöre nicht mehr allein den Arbeitgebern. "Flexibilisierung in den Betrieben ist keine Einbahnstraße mehr", sagte Hofmann.

Industrievertreter wie Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer loben vor allem die gute Planbarkeit dank der langen Laufzeit des Tarifvertrags. Den Lohnabschluss erachten beide Seiten – wie üblich – als gerade noch vertretbar.

Signalwirkung für Europa

Aus österreichischer Sicht wirkt der deutsche Lohnabschluss von 4,3 Prozent über zwei Jahre im Vergleich zu dem heimischen Plus bei den Metallern von drei Prozent in einem Jahr mager. Aber der erste Eindruck trügt. Rechnet man mit der sogenannten Westrick-Formel von zwei Jahren auf zwölf Monate um, erhält man eine jährliche Steigerung von 2,87 Prozent.

Außerdem gelte es zu bedenken, dass die Inflation in Deutschland in den letzten Jahren rund einen halben Prozentpunkt über der Teuerung in Österreich lag, erklärt Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien (IHS). Laut Prognosen soll die Inflation auch in den kommenden Jahren hierzulande stärker ausfallen. Auch die heimische Wirtschaft soll mit 2,7 Prozent laut IHS stärker wachsen als beim nördlichen Nachbarn.

Positiv dürfte der Abschluss auch von der Europäischen Zentralbank gewertet werden. Schließlich besteht Hoffnung, dass die wegweisende Tariferhöhung in der Metallindustrie die Lohn-Preis-Spirale in der größten EU-Volkswirtschaft in Gang setzt. Der EZB war es trotz stark expansiver Geldpolitik nicht gelungen, die Inflation der Eurozone auf den Zielwert von knapp unter zwei Prozent zu heben. Heuer stehen in Deutschland noch Verhandlungen im öffentlichen Dienst, der Chemie-Industrie, dem Bauhauptgewerbe sowie bei Post, Bahn und Telekom an. Auch VW richtet sich nach dem Metallabschluss. (6.2.2018)