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Gebannter Blick auf die Aktienkursmonitore. Vom Finanzmarkt hängt auch die Realwirtschaft ab.

Foto: AP / Sadiq Asyraf

An den Börsen hat es rund um den Globus in den vergangenen Tagen ordentlich gescheppert. Nach dem jahrelangen Aufwärtstrend wurden nun gröbere Kursverluste verbucht. Der US-Index Dow Jones etwa hat rund zehn Prozent verloren. Das klingt zwar dramatisch – doch "der Dow Jones hatte allein im Jänner rund zehn Prozent zugelegt. Bisher ist also nur der Jännerzuwachs verpufft", sagt Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Bank International. Auf längere Sicht betrachtet, liegt der Dow noch immer weit im Plus.

Doch wie wirken sich Schocks dieser Art auf die Realwirtschaft aus? Spüren Unternehmen und Bürger das Geschehen am Markt? Jein, ist dazu der Tenor aus dem Markt. Kursrücksetzer wie die zwei aktuellen bezeichnet Brezinschek für die Realwirtschaft noch als "Non-event". Eine wirkliche Auswirkung gäbe es nur, wenn eine Korrektur stärker, länger und ausgeprägter ausfalle als die zuletzt gesehenen Talfahrten.

Stimmungsbarometer

Denn die Börsen sind vor allem auch ein Stimmungsbarometer. Gehandelt wird die Erwartungshaltung für die Zukunft. Geht es bergauf, wird das gleichgesetzt mit der Erwartung einer gut laufenden Konjunktur. Dieses Umfeld erhöht Investitionsfreudigkeit und Kauflaune. Bei längerfristigen Korrekturen ist jedoch damit zu rechnen, dass Unternehmen und Konsumenten vorsichtiger werden. Größere Investitionen in Unternehmen – etwa in eine neue IT-Ausstattung – werden dann oft zurückgehalten, weil man in Summe in den Vorsichtsmodus schaltet. Nicht getätigte Investitionen wirken sich freilich auf die Realwirtschaft aus, weil das wiederum andere Unternehmen mit rückläufigen Aufträgen spüren.

Mit ansteigenden Zinsen müssen Unternehmen zudem tiefer in die Tasche greifen, um ihre offenen Kredite zu bedienen. Auch das könnte sich auf ihre eigene Kauflaune bzw. Investitionsfreudigkeit auswirken. Wird der Schuldendienst teurer, werden andere Posten zurückgefahren, was wiederum auf andere Wirtschaftszweige durchschlägt.

Belastung durch steigende Zinsen

Steigende Zinsen können auch im Privatsektor zu einer Trübung der Kauflaufe führen, weil die sich verteuernden Kreditkosten mehr vom Haushaltsbudget wegfressen. Weil das Finanzierungsumfeld aber auch nach weiteren Zinsanstiegen noch günstig ist – etwa im Vergleich zu den Zinsniveaus von vor der Finanzkrise – erwartet Brezinschek von dieser Seite noch keine groben Auswirkungen.

Ob einzelne Anleger von den Kursverlusten betroffen sind, hängt freilich auch davon ab, ob sie ihre Aktien jetzt verkauft haben und zu welchem Kurs sie ursprünglich eingestiegen sind. Wer seine Papiere nicht verkauft, realisiert Verluste auch nicht. In den USA kommt hier aber ein anderes Thema hinzu. Dort wird viel intensiver mit Aktien für die Pension vorgesorgt. Rückgänge an den Märkten machen sich hier bemerkbar.

Gefahr fürs Pensionskonto

Grimmig wird es vor allem, wenn Mitarbeiter einen hohen Anteil jener Aktien am Pensionskonto halten, bei dem sie beschäftigt sind. Kommt es aufgrund massiver Kursverluste und einer schwächeren Konjunktur zu Sparmaßnahmen, kann es sein, dass jemand seinen Job verliert und zeitgleich das Pensionskonto massiv an Wert verliert. So passiert ist das etwa 2001, als der US-Energiekonzern Enron kollabierte. Mit dem Kursrutsch der Enron-Aktie schmolzen die Pensionsersparnisse vieler Amerikaner dahin.

Ein Indikator im Zusammenspiel von Börse und Realwirtschaft ist das Verbrauchervertrauen. Die US-Konjunktur hängt besonders stark am privaten Konsum – der Anteil am BIP beträgt rund 70 Prozent. So lange die Amerikaner ihr Geld also in den Konsum stecken, läuft alles rund. Wird das Verbrauchervertrauen gestört – etwa durch permanente Negativschlagzeilen – kann die Stimmung kippen. Rückläufige Konsumausgaben wirken sich dann rasch auf die Konjunktur aus. Verschärfen könnte sich die Lage, wenn die Immobilienpreise sinken und dann die Werthaltigkeit von Hypothekenkrediten sinkt. Das beeinträchtigt Konsumenten und lässt Banken auf die Kreditbremse steigen.

Euphorie aus dem Markt

Für Brezinschek wurde mit den aktuellen Korrekturen "Euphorie aus dem Markt genommen". So lange der Konjunkturzyklus läuft, ist für den Chefanalysten noch keine realwirtschaftliche Gefahr im Verzug. Für die Börsen selbst gilt es jedoch am ungünstigsten, wenn eine scharfe Korrektur zu Jahresbeginn einsetzt. Denn zu dieser Zeit testen Großinvestoren oftmals den Markt und definieren ein Risikobudget, das sie in Aktien investieren. Dieses Geld wird rasch wieder aus dem Markt genommen, wenn die daran geknüpften Erwartungen nicht erfüllt werden und fehlt am Markt – nicht selten für den Rest des Jahres, weil institutionelle Investoren oft in Kalenderjahren denken.

Eine Langzeitfolge von längerfristigen und massiven Kursverlusten: Damit werden Unternehmen am Markt billiger. Es könnten sich günstige Übernahmekandidaten herauskristallisieren. (Bettina Pfluger, 9.2.2018)