Ob in den eigenen vier Wänden oder in öffentlichen Einrichtungen: Pflegende werden immer öfter gebraucht.

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Wien – Psychische und physische Belastungen, die eher mehr werden, schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie, bescheidene Bezahlung: Michaela Guglberger, in der Gewerkschaft Vida mit Gesundheits- und Sozialwirtschaft betraut, fallen im Gespräch mit dem STANDARD jede Menge Gründe ein, warum die Beschäftigten in der österreichischen Sozialwirtschaft einen besseren Kollektivvertrag brauchen.

DER STANDARD

Fünf Verhandlungsrunden hat man mit den Arbeitgebern – in der Hauptsache die großen Sozialvereine Volkshilfe, Hilfswerk, Lebenshilfe und Pro Mente – absolviert: ohne Ergebnis. Jetzt stehen die Zeichen auf Sturm. In 65 Betrieben mit insgesamt 144 Einrichtungen gibt es österreichweit heute Donnerstag und am Freitag Warnstreiks. Wobei Kunden oder Patienten davon unberührt jede Hilfe bekommen, die sie brauchen wie betont wird. Knackpunkt ist vor allem die geforderte Arbeitszeitverkürzung. Für Guglberger ist ganz offensichtlich, dass 35 Wochenstunden "bei diesem belastenden Job" genug seien. Die Realität würde dies auch deutlich widerspiegeln. In der Branche, in der überwiegend Frauen arbeiten, sei die Teilzeitbeschäftigung auf 70 Prozent gestiegen, vor 15 Jahren lag sie bei 60 Prozent. Das drücke auch die Einkommen.

Scheitern an der Realität

Rund 1.340 Euro netto verdienen diplomierte Pflegekräfte für 30 Stunden nach dreijähriger Ausbildung. Mehr zu arbeiten sei für die meisten keine Option, glaubt Guglberger. Schon jetzt liege die Drop-out-Rate – auch dank vieler Quereinsteiger – in den ersten fünf Jahren für manche Betriebe bei 30 Prozent. Erst im Job bemerkten manche, dass sie dem Druck nicht standhalten: "Viele scheitern an der Realität." Für die Arbeitgeberseite, die rund 100.000 Menschen in Pflegediensten beschäftigt, hat man dieser mit dem aktuellen Angebot schon Rechnung getragen: Man sei mit 2,35 Prozent Lohnerhöhung und einer besseren Bezahlung für diplomierte Pflegekräfte von bis zu 840 Euro pro Jahr der Gewerkschaftsseite weit entgegengekommen.

"Wir haben wenig Spielraum", sagt Walter Marschitz, Geschäftsführer der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ), dem STANDARD. Die gesellschaftliche Frage, "wie wir den Bereich finanziell ausstatten", sei aber berechtigt. Verständnis hat er für den Unmut darüber, dass Pflegekräfte im Landesdienst besser verdienen als bei den Sozialvereinen. Am größten ist der Unterschied in Salzburg mit durchschnittlich 300 Euro monatlich mehr. Für Marschitz "ein Fairnessproblem".

Fachkräftemangel

Das Gesamtpaket sei jedenfalls für die Branche nicht zu schlucken, ja sogar eine Bedrohung für vorhandene Arbeitsplätze. Dabei leide man ohnehin unter Fachkräftemangel: "Da sind die Folgen der Rücknahme des Pflegeregresses noch gar nicht eingerechnet." Dass so viele Teilzeit arbeiten, würde wohl das Gehaltsniveau drücken, sei aber den Anforderungen etwa in der mobilen Pflege geschuldet. Heimhilfen kommen dort bei 25 Stunden auf 980 Euro netto. Die auf Vor- und Nachmittag geteilten Dienste machen die Jobs vor allem für Mütter mit Kleinkindern oft schwierig.

SWÖ-Vorsitzender Erich Fenninger appelliert indes, den Hebel dort anzusetzen, wo nach seiner Sicht der Hund begraben liegt: "Während die Gewerkschaft 15 Prozent fordert, sind manche Auftraggeber nicht einmal bereit, die Inflationsrate abzugelten." (Regina Bruckner, 14.2.2018)

Anmerkung: Dieser Artikel wurde aktualisiert