EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen glaubt an Kompromiss.

Foto: AFP/THIERRY CHARLIER
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Brüssel – Der seit Jahren dahinschwelende Streit zwischen den EU-Institutionen und den Mitgliedsstaaten über eine Abänderung der EU-Entsenderichtlinie hat ein Ende – zumindest "vorläufig", wie die zuständige EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen am Donnerstagfrüh in Brüssel verkündete. Sie und drei Verhandler des Europäischen Parlaments wie auch des Ministerrates hatten sich in einem Trilogverfahren auf einen Minimalkompromiss verständigt.

Die geltenden Regeln sollen verschärft werden, damit Sozialdumping in den wohlhabenderen Staaten der Union beim vermehrten Einsatz von entsendeten Arbeitnehmern insbesondere aus Osteuropa verhindert bzw. eingegrenzt wird. Derzeit ist es so, dass Arbeitnehmer im Gastland zwar nach dem Mindestlohn bezahlt werden müssen. Da die Sozialabgaben in ihren Herkunftsländern aber oft beträchtlich niedriger sind und bei einer Entsendung auch weiterhin dort entrichtet werden, ergibt sich ein Gefälle.

Frankreich mit Staatspräsident Emmanuel Macron, aber auch Deutschland und Österreich haben daher zuletzt den Druck erhöht. Die Regierungen der osteuropäischen Staaten verweigerten bisher ihre Zustimmung, weil sich dadurch die Möglichkeiten für wanderungswillige Bürger verschlechtern würden.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Nun kam man überein, dass das Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit in einem Land" in jedem Fall auch die Zielsetzung sein müsse, wenn die Sozialabgaben berücksichtigt werden. Da eine Angleichung der Sozialsysteme in der Union illusorisch ist, sollen die Möglichkeiten der Langzeitentsendung (bisher bis fünf Jahre) eingeschränkt werden. In Zukunft sollen Arbeitnehmer nur für 18 Monate entsendet werden können und dabei ihre Sozialabgaben zu Hause entrichten. Danach würden sie gezwungen sein, in das Sozialsystem des jeweiligen Gastlandes zu wechseln. In Kraft treten soll die neue Regelung aber erst nach einer Übergangszeit von vier Jahren, frühestens 2021. Ob das auch so kommt, muss sich erst zeigen.

Denn fix ist noch nichts, betonte Thyssen, man habe bisher lediglich "ein gemeinsames Verständnis über die Umrisse einer möglichen Vereinbarung". Will heißen: Nach mehreren Anläufen landet die Materie im März wieder im zuständigen Ministerrat. Unklar ist, ob es im Transportsektor, bei Fernfahrern, eine Ausnahme gibt.

Es handelt sich bei der Entsenderichtlinie um ein Politikfeld, bei dem volles Mitentscheidungsrecht des Europäischen Parlaments besteht. Nach einem Vorschlag der Kommission muss der Rat eine Entscheidung treffen, die dann einer Bestätigung im Plenum des EU-Parlaments bedarf. Man sei nun an dem Punkt, wo sie glaube, dass es bei einer Abstimmung im Sozialministerrat die erforderliche qualifizierte Mehrheit an Stimmgewichten geben könnte, glaubt Thyssen, für eine Lösung, die auch die vom Parlament in Straßburg geforderten Änderungen berücksichtigt. (Thomas Mayer aus Brüssel, 1.3.2018)