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Jens Weidmann gilt als aussichtsreicher Nachfolger für Mario Draghi. Im EZB-Rat gilt er als Falke, der eine Trendwende in der ultralockeren Geldpolitik einleiten will.

Foto: Reuters / Alex Domanski

Wien – Noch nicht bald, aber in absehbarer Zeit sieht der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, den ersten Zinsschritt der Europäischen Zentralbank (EZB) und damit das Ende der Nullzinspolitik in der Währungsunion. "Die Märkte sehen eine erste Zinsanhebung etwa zur Mitte des Jahres 2019, was wohl nicht ganz unrealistisch ist", orakelte Weidmann in seiner Rede anlässlich der Verleihung des "Großen Goldenen Ehrenzeichens mit dem Stern" für Verdienste um die Republik Österreich am Montag in der Nationalbank.

Zunächst aber müsse die EZB ihre Nettoanleihekäufe beenden – ohne damit das Finanzsystem zu gefährden. Der frühere "Wirtschaftsweise" der deutschen Bundesregierung ließ keinen Zweifel, dass er diesen Schritt noch heuer sieht: "Das Ende der Nettokäufe ist jedoch erst der Anfang eines mehrjährigen Prozesses der geldpolitischen Normalisierung. Gerade deshalb ist es so wichtig, bald anzufangen." Die Geldpolitik der EZB bleibe dann immer noch expansiv genug. Dass die Zinsstruktur noch immer so flach ist, sei Ausdruck gesunkener Wachstumserwartungen.

Nicht dauerhaft krisenfest

Die Währungsunion sieht Weidmann mit Rettungsschirm ESM, Bankenunion und Bankenaufsicht heute wohl deutlich besser aufgestellt als am Höhepunkt der Finanzkrise 2010, "dauerhaft krisenfest ist sie aber nicht". Die Griechenland-Krise träfe den Euroraum heute wohl deutlich weniger unvorbereitet, griffe auch nicht mehr so leicht auf andere Länder über. Aber: "Die gemeinsame einheitliche Geldpolitik bei gleichzeitiger nationaler Finanzpolitik hat sich als krisenanfällig erwiesen", warnte der frühere Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Finanzpolitik im Bundeskanzleramt (bis 2011) unter Kanzlerin Angela Merkel.

Deshalb sei es gut, dass der französische Präsident Emmanuel Macron Schwung in die Reformdebatte gebracht habe. Über das "Wie" sind die Euroländer uneins. Letztlich liefen alle Konzepte darauf hinaus, Gemeinschaftshaftung und Risikoteilung auszuweiten, also eine zentrale Stabilisierungsfazilität zu schaffen. Weidmann sieht das kritisch, denn Staaten mit soliden Staatsfinanzen, die den Maastricht-Vertrag einhalten, bräuchten keinen externen Puffer: "Eigenkapital ist ein hervorragender Puffer, um Schulden auch in der Krise vollständig begleichen zu können."

Einen gemeinsamen Abwicklungsfonds für Banken und eine gemeinsame Einlagensicherung kann es aus Sicht der Deutschen Bundesbank nur geben, wenn zuhauf vorhandene Altlasten saniert werden. Die Bestände an notleidenden Krediten in Bankbilanzen sei noch immer viel zu hoch, der Deckungsgrad für Verluste habe sich nicht merklich erhöht. Die durchschnittliche Quote ging seit 2014 zwar um ein Drittel zurück, sechs Euroländer haben aber noch immer eine Quote im zweistelligen Bereich. In den USA und Japan machte der Anteil fauler Kredite 2016 nur 1,5 Prozent aus.

"Krypto ist keine Währung"

Eine weitere Altlast, die vor einer Vergemeinschaftung der Einlagensicherung unbedingt abzubauen ist: die Ansteckungsgefahr von Staaten auf Banken. Letztere haben zu viele Staatsanleihen ihrer Heimatländer ohne Besicherung in ihren Bilanzen. "Daraus entstand eine Verknüpfung der Solvenz von Banken mit der Solvenz ihrer Heimatstaaten, die heute deutlich stärker ist als vor der Krise", mahnt Weidmann.

Wenig Regelungswut lässt Weidmann bei Bitcoin und Co erkennen. "Krypto-Tokens" seien keine Währungen, dienten weder der Wertaufbewahrung noch als Recheneinheit noch als Zahlungseinheit, und seien auch viel zu aufwendig bei Transaktionen. "Jeder soll selbst entscheiden, wie er sein Geld verliert." (ung, 26.3.2018)