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Die Skyline von Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans: Das Land am Kaspischen Meer ist wegen seiner Gasvorkommen mitentscheidend für Europas Energieversorgung.

Foto: Getty/Adil Chelebiyev

Kaviar ist reich an hochwertigem Eiweiß und Omega-3-Fettsäuren, aber politisch ungesund. Mit Zwei-Kilo-Büchsen Kaviar im Gepäck als Dankeschön sollen Wahlbeobachter und andere Emissäre aus Europa regelmäßig nach Besuchen in Aserbaidschan nach Hause geflogen sein. Marktwert je nach Sorte – Beluga oder Osietra Royal – zwischen 1.500 und 2.000 Euro.

Doch in Wahrheit geht es bei der Kaviardiplomatie des autoritären Regimes in Aserbaidschan natürlich um sehr viel mehr. Externe Ermittler haben nun einen Bericht über die Manipulation des Europarats in Straßburg vorgelegt, dem auch die frühere Sowjetrepublik Aserbaidschan angehört: Demnach ließen sich Delegierte des Europarats möglicherweise über Jahre hinweg bestechen, um politisch günstige Bewertungen über eines für die EU wichtigsten Länder abzugeben. Aus Aserbaidschan am Kaspischen Meer soll schließlich bald schon Gas nach Europa strömen. Staatschef Ilham Alijew und der "Gaskorridor Süd" von Aserbaidschan nach Italien werden Europa weniger abhängig von Russland machen, so die Erwartung der EU.

Heimliche Lobbyisten

Vorwürfe betreffend Geschenke, Korruption und aus Baku ferngesteuerte Ernennungen in der parlamentarischen Versammlung des Europarats gibt es schon seit längerem. 2012 prägte die Denkfabrik ESI (Europäische Stabilitätsinitiative) den Begriff "Kaviardiplomatie" für Aserbaidschans Einflussnahme in Europa. 2017 haben Investigationsnetzwerke Geldtransfers von mindestens 2,5 Milliarden Euro aufgedeckt, die über Briefkastenfirmen allein zwischen 2012 und 2014 aus Aserbaidschan an heimliche Lobbyisten in der Politik in Europa gingen.

Der Druck insbesondere auf den Europarat wuchs durch diese Enthüllungen. Erstmals in ihrer Geschichte seit 1949 gab die auf 47 Mitglieder angewachsene Organisation an drei renommierte Richter den Auftrag für eine Untersuchung. Das Trio – zwei ehemalige Richter vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Nicolas Bratza und Elisabet Fura, sowie der französische Untersuchungsrichter Jean-Louis Bruguière – bewertete viele Hinweise von Zeugen hinsichtlich einer Einflussnahme Aserbaidschans als plausibel: von den Kaviarbüchsen bis zur Platzierung eines Baku-freundlichen spanischen Politikers als Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarats im Jahr 2016; Pedro Agramunt trat im Oktober 2017 zurück, als Vorwürfe über Manipulationen durch Aserbaidschan immer lauter wurden.

Konkrete Hinweise auf Korruption und Geldwäsche erhielten die externen Ermittler des Europarats aber nur im Fall des italienischen Politikers und ehemaligen Delegierten in Straßburg, Luca Volontè. Gegen ihn läuft ein Verfahren in Mailand wegen der Annahme von 2,4 Millionen Euro durch Regierungskreise in Baku. Bei den Ermittlungen gegen Volontè stieß die italienische Justiz auch auf den deutschen CSU-Politiker und Europaratsdelegierten Eduard Lintner. Er soll 819.000 Euro erhalten haben. Eine weitere deutsche Delegierte im Europarat, die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz, sieht sich nun mit Rücktrittsforderungen konfrontiert, weil sie mit Lintner geschäftlich in Aserbaidschan zusammengearbeitet hatte.

Zwei Österreicher

In dem 200 Seiten langen Untersuchungsbericht der Europaratsermittler stehen schließlich auch die Namen zweier österreichischer Politiker: SPÖ-Bundesrat Stefan Schennach, einer der beiden derzeitigen Berichterstatter über Aserbaidschan, und der frühere ÖVP-Nationalrat Wolfgang Großruck, der zeitweise Präsident einer anderen parlamentarischen Versammlung war, nämlich jener der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Schennach findet seinen Fall "kurios": Die Ermittler werfen dem SPÖ-Politiker Verletzung des Gebots der Unparteilichkeit vor, weil er Kontakt zu aserbaidschanischen Menschenrechtlern pflegt und in einem Fall deren Rat bei der Abfassung eines Berichts eingeholt hatte. Schennach erwartet, dass sein Name bis Donnerstag wieder aus dem Bericht genommen werde. Bis dahin lasse er sein Amt als Rapporteur ruhen, sagte er dem STANDARD. Am Donnerstag debattiert das Parlament des Europarats über den Untersuchungsbericht, davor befasst sich ein Geschäftsordnungsausschuss mit Einwänden von Betroffenen.

Großruck wiederum hatte als Leiter einer Wahlbeobachtergruppe in Aserbaidschan 2010 eine so regierungsfreundliche Haltung eingenommen, dass es in Baku zum Eklat mit anderen Beobachtern aus Europa kam. Finanzielle Verstrickungen werden ihm nicht vorgeworfen. "Das würde ich mir auch nicht gefallen lassen", sagte der mittlerweile pensionierte Politiker dem STANDARD. (Markus Bernath, 23.4.2018)