Der farbenfrohe Blick in die Vergangenheit unseres Universums zeigt, wie der neu entdeckte Galaxienhaufen aus der Nähe aussehen könnte.
Illustr.: NRAO/AUI/NSF; S. Dagnello

Halifax/Wien – Bei einem Blick ins ferne – und damit auch frühe – Weltall haben Astronomen das Anfangsstadium einer gigantischen kosmischen Massenkarambolage erspäht – eine zumindest aus unserer heutigen Sicht unmittelbar bevorstehende einzigartige Zusammenballung großer, junger und äußerst aktiver Galaxien. Diese uralte Superverschmelzung ist dazu bestimmt, eine der größten bekannten Strukturen des bekannten Kosmos hervorzubringen: einen gewaltigen Galaxienhaufen, zusammengehalten von Dunkler Materie und eingebettet in einer Wolke aus heißem ionisiertem Gas.

Blick ins junge Universum

Einem internationalen Team um Tim Miller von der kanadischen Dalhousie University in Halifax ist es gelungen, diese überraschend dichte Konzentration von 14 Galaxien in 12,4 Milliarden Lichtjahren Entfernung mithilfe des Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (Alma) zu beobachten. Mit anderen Worten: Als das Licht ausgesendet wurde, das wir heute von diesen fernen Objekten empfangen, existierte das Universum gerade einmal für 1,4 Milliarden Jahre und besaß damit erst etwa ein Zehntel seines heutigen Alters.

Diese unscheinbaren Flecken entwickeln sich zu einer der größten bekannten Strukturen des Universums.
Foto: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), T. Miller & S. Chapman et al.; Herschel; South Pole Telescope; (NRAO/AUI/NSF) B. Saxton

Die einzelnen Sterneninseln dieses Protoclusters zählen zu den sogenannten Starburst-Galaxien und bringen tausendmal schneller neue Sterne hervor als etwa unsere Milchstraße. Außerdem drängen sie sich in einem Raumvolumen zusammen, das nur rund dreimal so groß ist wie jener Bereich, den unsere Heimatgalaxie alleine einnimmt.

"Einen solchen Galaxienhaufen während seines Geburtsvorgangs einzufangen ist an sich schon spektakulär genug", meint Scott Chapman, Co-Autor der im Fachjournal Nature erschienenen Studie. "Die Tatsache, dass etwas derart Gewaltiges so früh in der Geschichte des Universums stattfindet, stellt allerdings unser aktuelles Verständnis davon infrage, wie sich Strukturen im jungen Kosmos entwickelt haben."

Video: Die dichte kosmische Massenansammlung stellt für die Astronomen ein Rätsel dar.
European Southern Observatory (ESO)

Rätselhafte Versammlung

Bisherige Theorien und Modelle ließen vermuten, dass solche massiven Galaxiencluster bedeutend längere Zeiträume benötigen, um sich zu entwickeln. "Daher ist es für uns ein Rätsel, wie sich diese mithilfe von Alma beobachtete Galaxienversammlung so früh bilden konnte", sagt Miller. Offensichtlich sei dieser Protocluster nicht wie von Astrophysikern erwartet über mehrere Jahrmilliarden herangewachsen.

"Diese Entdeckung liefert uns erstmals eine wertvolle Gelegenheit, herauszufinden, wie diese Haufen aus massereichen Galaxien in einer extremen Umgebung zusammenfinden", meint Miller.

Eine Billion Sonnenmassen

Computersimulationen lassen erahnen, wie es mit dieser riesigen Struktur weitergehen dürfte: "Im Verlauf der Zeit werden die 14 Galaxien ihre Sternenproduktion zurückfahren und schließlich einstellen. Am Ende werden sie zu einer einzigen Riesengalaxie verschmelzen, umgeben von einem Halo aus weiteren Galaxien und kosmischem Staub", erklärt Chapman. Die Forscher vermuten, dass dieser Gigant und seine Nachbarn dann gemeinsam eine Sternenmasse von rund einer Billion Sonnenmassen umfassen werden. (Thomas Bergmayr, 25.4.2018)