Für die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 hat Gazprom die Rohre geordert, die Voest ist mit im Boot. Verlegt sind sie noch nicht. Schon wälzt Gazprom Pläne für eine dritte Leitung.

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Noch ist es ruhig in Greifswald, dem Endpunkt der geplanten zweiten Ostseepipeline. Statt der Bagger sind die Anwälte im Einsatz, nachdem der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) Klage gegen die Baugenehmigung eingereicht hat. Der Nabu befürchtet, dass Meeresgewässer und Vogelschutzgebiete durch den Bau der gut 1200 Kilometer langen Leitung "irreparable Schäden" erleiden werden.

Doch das Verfahren wird den Bau wohl allenfalls verzögern, nicht aber verhindern. Die grundsätzlichen Entscheidungen scheinen gefallen, im Fährhafen Saßnitz auf der Greifswald vorgelagerten Insel Rügen liegen die Rohre bereits seit Monaten bereit. Bauherr Gazprom will mit den Arbeiten lieber heute als morgen beginnen. Laut Plan soll die gut acht Milliarden Euro teure Pipeline, an der sich auch die OMV beteiligen will, Ende 2019 fertig werden. Just zu der Zeit endet auch der Transitvertrag zwischen Russland und der Ukraine.

Politische Aspekte

Kiew läuft seit Jahren Sturm gegen das Projekt, auch Polen – ein weiterer Transitverlierer der Umgehungstrasse – macht Druck. Genügend, dass zuletzt sogar die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel das Projekt nicht mehr wie bislang als rein kommerzielle Angelegenheit einstufte, sondern einräumte, es gebe auch politische Aspekte. Nun drängt sie darauf, den Bau von Nordstream 2 mit einer Lösung für die ukrainische Transitpipeline zu verknüpfen. Die dürfe nach 2020 nicht gänzlich leer ausgehen, meinte sie.

Ganz verzichten kann Gazprom beim Export auf die Ukraine ohnehin nicht. Noch reichen die Kapazitäten selbst mit Nordstream 2 dafür nicht aus. Doch der kremlnahe Energieversorger weigert sich mit Händen und Füßen, das bestehende Konstrukt weiterzuführen. "Der bestehende Vertrag wird unter keinen Umständen verlängert, nicht einmal wenn Sonne und Mond ihre Plätze tauschen", verkündete der für den Export zuständige Gazprom-Vizechef Alexander Medwedew.

Transit durch die Ukraine soll es dann nur noch zu Gazproms Bedingungen geben, maximal 15 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Für eine gewisse Zeit wird sich der russische Energieriese noch mit dem unbequemen Nachbarn im Süden arrangieren müssen. Doch Medwedew träumt bereits von neuen Pipelineprojekten, die Naftogas endgültig überflüssig machen sollen. Neben einer wie auch immer gearteten Variante in Südeuropa durch das Schwarze Meer spukt dabei auch die Ostsee in Medwedews Kopf herum.

Höherer Importbedarf der EU

Gazprom sei bereit, weitere Pipelines Richtung Europa zu bauen, beispielsweise Nordstream 3, sagte Medwedew im russischen Fernsehen. Das sei möglich, "wenn Europa seinen Bedarf anmeldet und bereit ist, die nötigen Verträge zu unterschreiben", so Medwedew. Gazprom spekuliert dabei auf die sinkende Öl- und Gasproduktion in der Nordsee. Berechnungen zufolge fällt diese bis 2020 von 256 auf 212 Milliarden Kubikmeter, bis 2030 gar auf 146 Milliarden Kubikmeter. Gleichzeitig soll der Bedarf durch die Abschaltung von Kohle- und Kernkraftwerken weiter steigen.

Russland seinerseits hat durch neue Gasfelder auf der nordsibirischen Halbinsel Jamal genügend Ressourcen, um die Leitung zu füllen. Zumindest nach Nord- und Mitteleuropa ist die Route durch die Ostsee für die Russen tatsächlich kürzer und damit lukrativer als diejenige durch die Ukraine.

Chemiefabrik

Dass es nicht nur um vage Gedankenspiele geht, machen andere Planungen Gazproms deutlich. Der Konzern bereitet im Hafen Ust-Luga bei St. Petersburg den Bau einer riesigen Chemiefabrik vor. Die Investitionskosten belaufen sich russischen Medienberichten zufolge auf 20 Milliarden Dollar. Das Werk soll das Gas von Beimischungen befreien und so attraktiver für den Export machen.

Für die Verarbeitung des gesamten Pipelinegases reicht das nicht, aber immerhin 45 Milliarden Kubikmeter sollen pro Jahr gesäubert werden. Zwei Drittel davon gehen laut Planung anschließend in die Ostseepipeline, 14 bis 15 Milliarden Kubikmeter sollen als Flüssiggas über ein ebenfalls geplantes LNG-Terminal verschifft werden. Partner Gazproms bei dem Projekt ist Artjom Obolonski, der lange Zeit die SMP-Bank der Brüder Arkadi und Boris Rotenberg geleitet hat. Beide gelten als enge Vertraute von Kremlchef Wladimir Putin.(André Ballin aus Moskau, 26.4.2018)