Donald Trump und Angela Merkel trafen am Freitag in Washington zusammen.

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Das Treffen sollte insgesamt nur knapp drei Stunden dauern.

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Vor allem der Händedruck zwischen den beiden wurde beachtet.

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Klar, der Händedruck. Angela Merkel ist noch gar nicht richtig ausgestiegen aus ihrem Wagen, da greift Donald Trump auch schon nach ihrer Hand. Küsschen links, Küsschen rechts, ein breites Lächeln. Zuvor, da war die Limousine der Kanzlerin gerade zum Stehen gekommen am Säulenportal des Weißen Hauses, hatte er Beifall geklatscht, als könne er es vor lauter Vorfreude kaum erwarten, endlich mit ihr zu reden.

Kurz darauf, vorm Kamin im Oval Office, gratuliert er ihr zur Wiederwahl und spricht von einer großartigen Beziehung zu Merkel. Die habe es von Anfang an gegeben, "nur haben manche Leute das nicht begriffen". "Aber wir begreifen es, und das ist es, was zählt." Angela, schmeichelt er, sei eine außergewöhnliche Frau. Worauf sie in nüchterner Prosa erwidert, es sei ihr wichtig gewesen, auf ihrer ersten Auslandsreise nach Bildung der Regierungskoalition, jedenfalls außerhalb Europas, nach Washington zu kommen. "So viel zu diskutieren, so wenig Zeit!", hatte Trump in der Früh auf Twitter geschrieben.

The White House

Was für eine Show! Wie lang der Handschlag ausfallen, ob es vor laufenden Kameras überhaupt einen geben würde, hat die Gemüter doch mächtig bewegt. Es liegt an der Vorgeschichte, an jenem 17. März 2017, als Merkel neben Trump vorm Kamin in dessen Arbeitszimmer saß und der die Aufforderung der Fotografen, sich doch bitte die Hände zu reichen, geflissentlich überhörte. Es sei zu laut gewesen, Trump habe nicht verstanden, was man ihm zurief, hat Merkel den Affront damals herunterzuspielen versucht. Diesmal sollte es anders laufen. Bevor überhaupt jemand auf die Idee kommen konnte, aus frostiger Körpersprache tiefgehende Schlüsse über den Zustand des deutsch-amerikanischen Verhältnisses abzuleiten, folgte ein Handshake dem anderen.

"Maximaler Druck" auf Nordkorea

Die Europäer müssten ihre Verpflichtungen im Rahmen der Nato erfüllen und zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungszwecke ausgeben, schneidet Trump eines der Konfliktthemen bei der gemeinsamen Pressekonferenz dann an. "Und hoffentlich noch viel mehr", fügt er hinzu. Den Iran bezeichnete er als "mörderisches Regime". Eine Reise zur Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem im Mai ließ er weiter offen. Merkel lobt er dafür, dass auch sie "maximalen Druck" auf Nordkorea ausübe, um das Regime in Pjöngjang im Streit über Atomwaffen zum Einlenken zu zwingen. Sie revanchiert sich, indem sie von der Stärke Trumps spricht, die neue Perspektiven auf der koreanischen Halbinsel eröffne. "Der Präsident wird entscheiden", antwortet sie ausweichend auf die Frage, ob die EU auch ab 1. Mai von US-Zöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte ausgenommen wird.

The White House

Es ist ein kurzer Arbeitsbesuch, das Minimum dessen, was der Präsident anzubieten hat. Mit dem Japaner Shinzo Abe spielte er neulich in Florida Golf, mit Emmanuel Macron stellte er drei Tage lang persönliche Nähe zur Schau, auch wenn das Alphatier Trump es inszenierte, als sei er der Boss und der schmächtigere Franzose allenfalls Juniorchef seiner Firma. Merkel ist am Donnerstagabend gelandet, am Freitagabend fliegt sie zurück. Dazwischen liegen: ein 20-minütiges Vieraugengespräch mit Trump im Oval Office, 95 Minuten Arbeitsessen im Cabinet Room, eine Pressekonferenz im East Room und ein Hintergrundgespräch mit Journalisten in der Residenz des deutschen Botschafters. Beim Lunch ist neben dem Vizepräsidenten Mike Pence auch der neue Sicherheitsberater John Bolton zugegen, eine Art Oberfalke unter Amerikas Falken, mit einem buschigen Schnauzer als Markenzeichen.

Ständige Personalwechsel

Schon das illustriert die Realitäten, mit denen es Merkel an der Pennsylvania Avenue zu tun hat. Als sie Trump vor 13 Monaten zum ersten Mal besuchte, war es anstelle Boltons noch Herbert Raymond McMaster, der im Weißen Haus die Außen- und Sicherheitspolitik koordinierte. Ein jovialer General, mit dem deutsche Gesprächspartner immer gut konnten, obwohl natürlich auch er im Zweifelsfall knallhart amerikanische Interessen vertrat.

Dass deutsche Unternehmen hunderttausende Arbeitsplätze in den USA geschaffen haben, wissen auch Trumps Republikaner, zumal sich vieles davon in republikanisch regierten Bundesstaaten abspielt. BMW, nicht Ford oder General Motors, ist mit seinem Werk in Spartanburg, South Carolina, dem Wert nach der größte Autoexporteur des Landes. Das hat selten ein Gast aus Deutschland zu erwähnen vergessen, und auch Merkel hat das am Freitag zur Sprache gebracht. Es ist eine Verteidigungslinie gegen die Handels-Hardliner im Weißen Haus, führt es doch vor Augen, wie kompliziert das mit den Zollschranken in einer vielfach verflochtenen Weltwirtschaft mit grenzübergreifenden Lieferantenketten sein kann.

Wenig Interesse

Nur ändert das nichts daran, dass die Kanzlerin in der Arena amerikanischer Politik bestenfalls als Nebendarstellerin wahrgenommen wird, wenn überhaupt. Längst vergessen die im Tal der Ratlosigkeit nach der Wahlniederlage geäußerte Hoffnung mancher Anhänger Hillary Clintons, die Frau aus Germany werde nunmehr die freie Welt anführen, um die liberale Ordnung gegen engstirnige Nationalisten vom Schlage Trumps zu verteidigen. "Angela Merkel reist nach Washington, und es sieht so aus, als würden sich die USA nicht für sie interessieren", zitiert die "New York Times" einen Thinktank-Strategen namens Jeremy Shapiro, der unter Barack Obama ein wichtiger Berater im Außenministerium war, zuständig für Europa. Merkel und Trump, schreibt die "Washington Post", hätten bis zu einem Telefonat im März fünf Monate nicht direkt miteinander gesprochen – "eine außergewöhnlich lange Pause".

Berlin, doziert Constanze Stelzenmüller, Politikwissenschafterin an der Brookings Institution, sei für das US-Kabinett ein Objekt besonderer Feindseligkeit. Die Ethno-Nationalisten hassten die Großzügigkeit gegenüber syrischen Flüchtlingen, die Protektionisten die Handelsüberschüsse, die Sicherheitsfalken die Zuschauerrolle beim Raketenschlag gegen Syrien, während sich die Russland-Skeptiker über die geplante Ostseepipeline Nord Stream II erregten. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen, konstatiert Stelzenmüller ganz ohne Schnörkel, seien auf einem Nachkriegstiefpunkt angelangt. (Frank Herrmann aus Washington, 27.4.2018)