Wien – Google, Apple, Amazon und Facebook zählen heute nicht nur zu den größten Unternehmen der Welt in puncto Börsenwert. Die vier Konzerne haben in den vergangenen 20 Jahren das Alltagsleben von Milliarden von Menschen verändert. Wer im Internet surft, ein Handy benutzt oder Bücher bestellt, kommt an den IT-Riesen schwer vorbei.

Im Gegensatz dazu haben die vier Unternehmen in internationalen Produktivitäts- und damit Wachstumsstatistiken so gut wie gar keine Spuren hinterlassen. Das Smartphone, Fitness-Apps und neue Softwareprogramme sind in dieser Hinsicht unsichtbar geblieben. Das globale Produktivitätswachstum hat sich seit dem Jahr 2000 drastisch verlangsamt und ist seit Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 2008 nahezu zum Erliegen gekommen. Diese Entwicklung hat Europa ebenso erfasst wie die USA und Japan. Selbst Schwellenländer wie China sind betroffen.

Warum war das Produktivitätswachstum seit der Jahrtausendwende so schwach? Darüber rätseln Ökonomen
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Über die Ursachen tobt unter Ökonomen ein Streit. Eine Theorie besagt, dass die Wirtschaft ihre Innovationskraft verloren hat. Die großen technologischen Neuerungen der vergangenen Jahre betreffen die Unterhaltungs- und Kommunikationsindustrie und würden sich darüber hinaus gesamtwirtschaftlich kaum auswirken.

Nun deutet sich erstmals seit Jahren an, dass diese Sichtweise zu pessimistisch gewesen sein könnte. Die Europäische Kommission hat soeben die aktuellen Zahlen zur Entwicklung der Produktivität in Europa veröffentlicht. Der Trend zeigt kräftig nach oben, besonders in Österreich.

Ökonomen können das Wirtschaftswachstum in Einzelteile zerlegen. Dabei rechnen sie jene Komponenten des Zuwachses heraus, die nur entstehen, weil mehr Menschen arbeiten gehen oder Investoren mehr Geld für neue Fabriken ausgeben. Der Rest des Wachstums beruht darauf, dass Unternehmen bessere Maschinen, klügere Roboter und eine effizientere Software einsetzen oder Arbeitnehmer mit mehr Know-how beschäftigen. Also letztlich darauf, dass die Gesellschaft innovativer wird. Ökonomen messen diesen Fortschritt mit einer Kennzahl, der Totalen Faktorproduktivität (TFP). In Österreich lag das TFP-Wachstum zwischen 2011 und 2016 im Jahresdurchschnitt bei 0,017 Prozent.

2017 betrug das Plus dagegen 1,2 Prozent. Heuer soll der Anstieg noch einmal so hoch ausfallen. Das wäre der höchste Zuwachs in zwei aufeinanderfolgenden Jahren seit 2006. Auch in Frankreich, Deutschland und sogar Italien, dem größten Sorgenkind im Euroraum, steigt die TFP wieder an.

Wende zur Normalität

Der Ökonom Klaus Weyerstrass vom Institut für Höhere Studien spricht von einer Wende "hin zur Normalität". Krisenbedingt haben Unternehmen nach 2008 ihre Investitionen stark zurückgefahren. Nachdem die Erholung der Wirtschaft Ende 2016 wieder eingesetzt hat, wird wieder mehr Geld in Produktionsabläufe investiert. Das mache sich nun endlich bemerkbar, sagt Weyerstrass.

Ein höheres TFP-Wachstum bedeutet, dass die Wirtschaftsleistung und damit der gesamte Wohlstand in einem Land steigen. Über Verteilungsfragen, Gewinner und Verlierer der Entwicklung, sagt die Kennzahl nichts aus.

Die entscheidende Frage ist, wie es weitergeht. In den Produktivitätsstatistiken der vergangenen Jahre war von Robotern und künstlicher Intelligenz wenig zu sehen. Einige Ökonomen denken, dass die Entwicklung bloß verzögert einsetzen wird. Andere, dass die magere Entwicklung ein Dauerzustand bleibt. Die meis- ten Menschen arbeiten heute im Dienstleistungssektor, und die IT-Neuerungen bringen dort nur begrenzte Fortschritte mit sich. In Modegeschäften und Supermärkten haben große Produktivitätssprünge nicht stattgefunden.

Die EU-Kommission geht tatsächlich davon aus, dass das starke Innovationswachstum 2019 wieder abflauen wird, und zwar wenn der Konjunkturaufschwung nachlässt und wieder weniger investiert wird. Ein Absinken auf das dramatisch niedrige Niveau der vergangenen Jahre wird aber nicht prognostiziert. Marcus Scheiblecker vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo teilt diese Einschätzung.

Der Aufschwung habe auch die Produktivität beflügelt, an der schwächeren langfristigen Wachstumsperspektive ändere sich aber wenig. Deutlich optimistischer war die Grundaussage einer vor wenigen Wochen vorgestellten Studie der Unternehmensberater von McKinsey: Sollte es global gelingen, die Nachwehen der Weltwirtschaftskrise zu überwinden, könnte sich das technologische Wachstum bald nachhaltig beschleunigen. (András Szigetvari, 12.5.2018)