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US-Präsident Donald Trump nach seiner Landung in Singapur. Sein Verhandlungsstil ist geprägt von seiner Erfahrung als Unternehmer. Die andere Seite verharrt dabei oft in Unsicherheit.

Foto: AP / Evan Vucci

Die Erwartungen an das Treffen zwischen Donald Trump und Kim Jong-un in einem Video zusammengefasst.

DER STANDARD

Dass der Eklat beim G7-Gipfel in Kanada auch mit Donald Trumps Termin in Singapur zu tun hatte, ist keine Mutmaßung seiner Kritiker. Es war Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow höchstpersönlich, der diesen Konnex herstellte: Der US-Präsident, so Kudlow, habe seine Zustimmung zu einer G7-Abschlusserklärung auch deshalb zurückgezogen, weil er vor dem Gipfeltreffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un keinerlei Schwäche zeigen wollte.

Trumps Erklärung, mit der er am Wochenende seine Partner aus Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Kanada und Japan vor den Kopf stieß, kam einmal mehr über Twitter. Der Kurznachrichtendienst gilt als Trumps liebster Kommunikationskanal, vor allem für seine Dauergefechte mit innenpolitischen Kontrahenten und kritischen US-Medien.

Aber auch in den internationalen Beziehungen setzt Trump auf die Wirkung der Nachrichten im Telegrammstil. Schon längst macht deshalb das Schlagwort von der Twitter-Diplomatie die Runde. Das gilt gerade für das Verhältnis zu Nordkorea. Noch vorigen September verspottete Trump sein heutiges Gegenüber Kim via Twitter als "kleinen Raketenmann" und drohte dessen Land mit "totaler Zerstörung". Im Jänner legte Trump mit dem legendären Tweet nach, dem zufolge sein eigener "Atomknopf viel größer und mächtiger" sei als jener von Kim.

Gegen Linie des Außenamts

Aber auch andere ausländische Politiker sind schon ins Visier von Trumps Tweets geraten. Etwa der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan, der nach einem Terroranschlag im Juni 2017 öffentlich zur Ruhe aufrief. Trump dazu auf Twitter: "Mindestens 7 Tote (...), und der Bürgermeister von London sagt, es gäbe keinen Grund, alarmiert zu sein!" In der Katar-Krise vor einem Jahr stellte Trump sich in seinen Tweets auf die Seite Saudi-Arabiens – und damit gegen die neutrale Linie des eigenen Außenministeriums.

Donald Trump agiert wie ein Geschäftsmann, der den schnellen Erfolg sucht. Dazu scheint ihm ein schnelles Medium mit nahezu weltweiter Reichweite wie geschaffen. Aus vielen Gründen jedoch erweist sich seine Ad-hoc-Diplomatie im Businessman-Stil als ungeeignet für die internationale Beziehungspflege:

  • Diplomatische Beziehungen leben viel häufiger von der Schaffung von "Win-win-Situationen" als Geschäftsverhältnisse. Langfristige Wirtschaftskooperationen oder das Bekenntnis zu sozialer Verantwortung von Unternehmen sollen damit nicht in Zweifel gezogen werden. Trumps Welt aber ist geprägt vom Siegeswillen im Kampf gegen die Konkurrenz. Diplomatie hingegen muss sich auf einem komplexen Feld bewähren, dem Twitter-Kommunikation nur schwer gerecht werden kann.
  • Im Verhältnis zwischen Staaten gibt es so etwas wie den toxischen Verhandlungserfolg. Eine Gesellschaft, die sich übervorteilt sieht, ist nicht Opfer einer feindlichen Firmenübernahme, sondern allzu oft Keimzelle neuer Konflikte. Dass der Wiener Kongress 1815 dem zuvor besiegten Frankreich in langen Verhandlungen die Rückkehr in den Kreis der Mächtigen ermöglichte, gilt nicht von ungefähr als wegweisend für die moderne Diplomatie.
  • Auch Trump wirbt damit, Nordkorea aufs internationale Parkett zurückholen zu wollen. Dazu aber werden – auch bei einem Erfolg des Gipfels – viel Detailarbeit, ein langer Atem und eine Handschlagqualität nötig sein, die sich nicht von kurzfristigen Launen leiten lässt. Es bleibt also auch nach Singapur spannend: Anders als Kommuniqués, die im großen Beraterstab verfasst werden, entstehen Trumps Tweets nämlich gerne spontan in der Einsamkeit der präsidialen Fernsehcouch. (Gerald Schubert, 11.6.2018)