Nach den Ereignissen des Nachmittags lag es an Brasilien, die WM nicht zu einer Europameisterschaft verkommen zu lassen. Der Rekordweltmeister galt in Kasan als Favorit, weil die Belgier bis dahin zwar offensiv brillierten, in der Abwehr aber im Gegensatz zur Seleção nicht sattelfest gewirkt hatten. Auch Coach Roberto Martínez sah hier das Manko seiner Roten Teufel, brachte also Nacer Chadli und Marouane Fellaini für Yannick Carrasco und Tris Mertens. Von der Fünferkette wurde auf 4-3-3 umgestellt. Martínez’ Kollege Tite musste zwangsläufig umstellen, Fernandinho spielte statt des gesperrten Casemiro, Filipe Luis musste für den wiedergenesenen Marcelo auf die Bank.

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Duell der Mittelpunkte.
Foto: AP/Seco

Auch das trug zur brasilianischen Laune bei, überschäumend hätte sie sein können, wenn nach einem Eckball von Neymar Abwehrchef Thiago Silva den abgefälschten Ball mit dem Oberschenkel nicht nur an die Stange gesetzt hätte (8.). Nur zwei Minuten später versemmelte Paulinho nach Eckball von Willian vom Elferpunkt – die Südamerikaner wirkten wie aufgedreht. Den Stecker zog dann ein Eigentor. Einen scharf auf das kurze Eck gezielten Corner von Belgiens Nacer Chadli lenkte Fernandinho, irritiert auch durch den Kollegen Gabriel Jesus, an seinem Goalie Alisson vorbei (13.) – schon das elfte Eigentor dieser Endrunde.

Konter in Perfektion

Das wäre angesichts der Offensivkraft der Brasilianer noch kein Beinbruch gewesen, allerdings fielen die, im Bemühen möglichst schnell auszugleichen, ein wenig aus dem taktischen Konzept und wurden für Konter anfällig. Solche beherrschen die Belgier über Kevin De Bruyne allerdings in Perfektion. Beim dritten einschlägigen Versuch marschierte Romelu Lukaku unhaltbar, zog drei Gegenspieler auf sich und bediente De Bruyne, der, von Marcelo nicht attackiert, Alisson mit einem Flachschuss ins lange Eck erwischte (31.), das 150. Tor der WM erzielte. Dieser Schock saß tief und weckte kurz Erinnerung an den 8. Juli 2014, an das 1:7 bei der Heim-WM im Halbfinale gegen den späteren Champion Deutschland.

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Neymar bleibt hinter den Erwartungen.
Foto: AP/Seco

Allerdings hat die aktuelle Seleção deutlich mehr Qualität, selbst zwischenzeitliches Abtauchen von Neymar minderte ihre Gefährlichkeit nicht. Bei Schüssen von Marcelo und Coutinho innert einer Minute musste Thibaut Courtois im Tor der Belgier sein ganzes Können zeigen (37.). Dennoch lag es in der Kasaner Luft, dass sich nach Deutschland und Argentinien auch Brasilien in der Hauptstadt von Tatarstan von der WM verabschieden würde.

Doch noch heiß

Trainer Tite hatte sich damit noch nicht abgefunden, er brachte Liverpools Roberto Firmino statt des schwachen Willian für zusätzlichen Betrieb. Hinfort belagerte Brasilien den belgischen Strafraum. Drinnen bemühte sich zunächst Neymar sehr auffällig um einen Elfer, der serbische Schiedsrichter Milorad Mažić ließ es aber mit einer Ermahnung bewenden. Als Jesus gegen Vincent Kompany fiel, ließ Mažić nach Videostudium abstoßen, obwohl der Kontakt erfolgte, als der Ball noch knapp im Spiel war (57.).

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Courtois rettet.
Foto: AP/Verdugo

Es war höchste Zeit für die Belgier, an ihre Gefährlichkeit zu erinnern, aber Kapitän Eden Hazard setzte den Ball nach Konter über De Bruyne knapp am langen Eck vorbei (62.). Brasilien schoss oft aufs Tor, den 16. anständigen Versuch des eingewechselten Douglas Costa konnte Courtois parieren, den Kopfball von Renato Augusto, einem weiteren Neuen, von Coutinho bedient, musste er aber zum Anschlusstreffer passieren lassen (76.). Plötzlich hing Belgiens Glück am seidenen Faden. Coutinho zielte aber nach Zuspiel von Neymar vorbei (84.) und als Neymar in der Nachspielzeit an Courtois scheiterte, war es um Favorit Brasilien endgültig geschehen (94.). (Sigi Lützow, 6.7.2018)

Semifinale für Belgien.
Foto: APA/AFP/SAEED KHAN


DER STANDARD

Fußball-WM, Viertelfinale:

Brasilien – Belgien 1:2 (0:2).
Kasan, Kasan-Arena, 42.873 Zuschauer, SR Masic (SRB).

Tore: 0:1 (13.) Fernandinho (Eigentor)

0:2 (31.) De Bruyne

1:2 (76.) Renato Augusto

Brasilien: Alisson – Fagner, Thiago Silva, Miranda, Marcelo – Paulinho (73. Renato Augusto), Fernandinho – Willian (46. Firmino), Coutinho, Neymar – Gabriel Jesus (58. Douglas Costa)

Belgien: Courtois – Alderweireld, Kompany, Vertonghen – Meunier, Fellaini, Witsel, Chadli (82. Vermaelen) – De Bruyne, Lukaku (87. Tielemans), Hazard

Gelbe Karten: Fernandinho, Fagner bzw. Alderweireld, Meunier (im Halbfinale gesperrt)