Erster unter Gleichen im Ministerkabinett des autoritär regierenden türkischen Präsidenten Erdogan: Schwiegersohn Berat Albayrak muss Inflation und Lira-Sturz bekämpfen, will aber niedrige Zinsen.

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Bei Kabinettssitzungen legt er in den Pausen gern die Hand auf die Schulter des Schwiegervaters und plaudert mit besonders lauter Stimme über Vorkommnisse in der Familie, so heißt es über Berat Albayrak. Jeder soll wissen, wie nahe sich der türkische Staatschef Tayyip Erdogan und sein Schwiegersohn stehen.

Auch jüngst am Wahlsonntag wollte Berat Albayrak nicht fehlen, als der Präsident vor laufenden Kameras in einer Schule in Istanbul seine Stimme abgab. Albayrak schickte seine Kinder vor und ließ sie um den Präsidenten tänzeln. Erdogan warf gemeinsam mit einem seiner Enkel den Stimmzettel in die Urne. Und Berat Albayrak strahlte nach Leibeskräften. Bald schon wurde der ehrgeizige Schwiegersohn mit dem Vollbart nach neu-osmanischer Façon belohnt. Erdogan ernannte den 40-Jährigen diese Woche zu seinem Finanzminister.

Lira fällt

Die türkische Wirtschaft ist ab jetzt Familiensache, so urteilen seither Kolumnisten und Ökonomen im Land, die sich noch trauen, Kritisches zu sagen. Die Finanzmärkte sehen es ähnlich.

Seit Albayraks Ernennung fällt die türkische Lira wieder: Bei 4,56 für einen US-Dollar stand sie am Vorabend der Regierungspräsentation in Ankara. Auf 4,98 rutschte sie im Lauf der Woche ab. Am Freitag, kurz vor der ersten Sitzung der neuen Präsidentenregierung, war die Lira bei 4,87 für einen Dollar und bei 5,64 für einen Euro. 25 Prozent ihres Werts verlor sie allein in diesem Jahr.

Nur gut für Touristen

Zumindest für Türkeibesucher aus Europa ist das eine gute Nachricht. Sie können billig einkaufen. Noch schlägt die Rekordinflation von 15,39 Prozent im Juni nicht ganz auf die Preise bei Kleidung oder im Restaurant durch. Doch für türkische Unternehmer, Privathaushalte und nicht zuletzt für die Regierung selbst ist das ein Problem: Die Märkte haben kein Vertrauen in Erdogans Schwiegersohn.

Ein neues Gesicht ist er für sie dabei nicht. Zweieinhalb Jahre war Albayrak schon Energieminister. Der Schwiegervater setzte ihn nach der Parlamentswahl im November 2015 in die Regierung. Mit 29 Jahren war Albayrak bereits Geschäftsführer der Çalik-Holding, einer der ganz großen Industriegruppen in der Türkei mit Unternehmen in der Bau- und Textilbranche, im Energiesektor und – wie üblich in der türkischen Industriellenwelt – auch mit eigenen Medien. Albayrak steuerte seinerzeit auch die Erdogan-loyale Berichterstattung in der Tageszeitung Sabah und im TV-Sender ATV mit.

Ölexporte gemanagt

Als CEO von Çalik soll Albayrak auch Ölexporte der Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien und im Irak über die Firma Powertrans in die Türkei gemanagt haben. Albayrak wies diesen Vorwurf zurück; er gab seinen Chefposten bei der Holding 2013 ab, um in die Politik zu wechseln. Als Energieminister schrieb Albayrak wiederum ein Gesetz, dass seiner früheren Çalik-Holding die steuerfreie Rückführung von Vermögen im Ausland möglich machte.

Die Veröffentlichung von etwa 58.000 Emails durch eine linke türkische Hackergruppe im Herbst 2016 zeigte neben anderem, welche große Rolle Albayrak bereits als Koordinator internationaler Lobby für seinen Schwiegervater Erdogan übernommen hatte.

Erdogans Nachfolger

Berat Albayrak ist der Sohn von Sadik Albayrak, eines langjährigen Freundes von Erdogan. 2004 heiratete er Erdogans älteste Tochter Esra. Im Präsidentenpalast in Ankara soll Berat Albayrak das eine Lager von Gefolgsleuten anführen, das um die Gunst des Staatschefs buhlt; Ibrahim Kalin, Erdogans Berater und Sprecher, der bei der Regierungsbildung leer ausging, gilt dagegen als Kontrahent des Schwiegersohns und Führer eines anderen, realpolitischen Lagers. Denn das Albayrak sich bereits als Nachfolger Erdogans sieht, lässt er alle verstehen.

Lockere Geldpolitik

Albayraks erstes Problem ist nun die türkische Zentralbank. Investoren und Ratingagenturen beobachten genau, ob der neue Finanzminister Druck auf die Zentralbank auszuüben versucht und eine Senkung der Leitzinsen bei der nächsten Sitzung des Gouverneursrat der Bank am 24. Juli erzwingt. Lockere Geldpolitik in jeder Situation ist Erdogans Credo.

Albayraks erster Kommentar diese Woche war zweideutig. Über die Unabhängigkeit der Zentralbank könne nicht spekuliert werden, sagte er und fuhr fort: "Eines der Hauptziele unserer Politik in der neuen Zeit ist eine Zentralbank, die effektiv ist wie nie zuvor". (Markus Bernath, 14.7.2018)