Für den Prozessfinanzierer Facto sind Polizzen von Lebensversicherungen "Altpapier". Beim Versuch, diese zu Geld zu machen, schlitterte Facto nun in die Insolvenz.

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Gehen Sie nach Hause, öffnen Sie den Schrank, nehmen Sie den Vertrag für die Lebensversicherung heraus, und bringen Sie ihn zu uns. Wir machen aus diesem Altpapier Geld." Mit solchen Slogans hat Björn Schürenberg vor wenigen Monaten noch Vertriebsleute akquiriert. Der Chef des deutschen Prozessfinanzierers Facto Financial Services AG (Facto) motivierte damit bei Veranstaltungen künftige Vertriebsleute und lockte sie mit einem Provisionsmodell. Auch in Österreich ist Facto aktiv.

Die Idee dahinter: Wer als Privatkunde seine Lebensversicherung kündigt oder rückkauft, bekommt einen Wert, den die Versicherung berechnet. Dieser ist in der Regel niedriger als das bisher einbezahlte Kapital. Facto könne für den Kunden viel mehr herausholen, sofern Vertragsfehler gefunden würden. Von diesem Mehrertrag sollten dann alle profitieren. Die Kunden, das Vertriebspersonal und Facto selbst freilich auch. Um die Motivation auf allen Ebenen zu erhöhen, lockte Facto-Chef Schürenberg damit, dass Kunden, die einen Vertrag an Facto abtreten, bzw. Vertreter, die einen Vertrag bringen, eine Sofortzahlung bekommen – und später noch einmal Geld winkt. Dann nämlich, wenn mit der jeweiligen Versicherung Klarheit hergestellt wurde – notfalls über Prozesse.

65 Millionen fehlerhafte Polizzen

65 Millionen Lebenspolizzen soll es in Deutschland geben, die fehlerhaft seien, sagt Schürenberg in einem Präsentationsvideo, das am 19. April auf Youtube veröffentlicht wurde. 96 Prozent dieser Verträge könne man sicher rückabwickeln. Ziel sei es, fünf Millionen Verträge in den kommenden Jahren abzuwickeln. Für die Kunden sollten dabei in Summe 50 Milliarden Euro herausschauen.

Wie bei einer Präsentation dieser Art üblich, dürfen Zahlenbeispiele nicht fehlen. Am Ende des ersten Preisbeispiels taucht plötzlich ein "Cash-back-Button" in der Präsentation auf. Schürenberg: "Ich habe keine Ahnung, was das bedeutet, aber mir wurde gesagt, dass Sie sich darüber freuen. Stimmt das?" Applaus setzt ein.

Vergangenen Freitag ist vielen das Applaudieren wohl vergangenen. Die deutsche Facto Financial Services AG meldete Insolvenz mit Eigenverwaltung an. In so einem Fall muss kein Insolvenzverwalter eingesetzt werden, das Unternehmen wird allerdings unter Aufsicht gestellt. Facto wolle die Geschäfte weiterführen, wird mitgeteilt, aber die Kosten straffen. Laut Homepage sind 100 Mitarbeiter an drei Standorten für Facto tätig. Zudem ist von einem deutschlandweiten Netzwerk an Vertriebspartnern die Rede. Bereits eingereichte Verträge zur Rückabwicklung will das Unternehmen weiter prüfen und bearbeiten, heißt es.

Geschäfte in Österreich sollen weitergeführt werden

In Österreich wurde Facto Anfang Juni aktiv. Anlass war die geplante Gesetzesänderung für Lebensversicherungen mit fehlerhafter Rücktrittsbelehrung. Über die Homepage können Kunden ihren Vertrag hochladen und prüfen lassen. Wie viele Kunden das bereits getan haben, ist noch offen. Von der Insolvenz ist das Schwesterunternehmen in Österreich nicht betroffen. Die Geschäfte werden weitergeführt, heißt es von Facto Österreich.

Makler sollen jedoch nicht unterwegs gewesen sein. Ob das stimmt, ist ebenfalls offen. Denn als Markt dürfte Facto Österreich schon länger im Blick gehabt haben. Bereits am 9. Mai 2016 hat Facto zu einer Kick-off-Veranstaltung in die Eventpyramide in Vösendorf geladen. Rund 190 Personen sollen damals dabei gewesen sein, als die Idee sowie das Karriere- bzw. Gebührenmodell vorgestellt wurden. Teilnehmer sollten dort auch eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben. 2016 logierte die Facto Service GmbH noch in Graz, seit 26. April firmiert sie in Wien.

Als Testimonial für Facto fungierte Klaus Eberhartinger mit dem Lied Wie gewonnen, so zerronnen. Darin heißt es: "Ade du kleines Gartenhaus, demnächst gehen die Lichter aus." Möge das kein Omen sein. (3.8.2018)