Dunkle Wolken über dem Standortentwicklungsgesetz: Die Kritik an dessen Entwurf reißt knapp vor Ende der Begutachtung nicht ab.

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Wien – Durchwegs harsche Reaktionen provoziert der Gesetzentwurf für das im Juli veröffentlichte Standortentwicklungsgesetz. Die Begutachtung endet in der Nacht auf Samstag, und die Liste der überwiegend negativen Stellungnahmen ist lang. Besonders ausführlich ist jene der auf öffentliches Recht, Umweltrecht, Public und Urban Governance spezialisierten Verena Madner. Die Professorin der Wirtschaftsuni Wien hält den Gesetzestext "in zentralen Punkten für verfassungs- und unionsrechtswidrig", zudem verstoße er gegen völkerrechtliche Verpflichtungen der Republik.

Die Folge wäre eine Fülle von Verfahren, in denen Gerichte über die Anwendbarkeit unionswidriger Vorschriften entscheiden müssten. Womit das Gegenteil der angestrebten Planungs- und Rechtssicherheit für Großprojekte zu erwarten sei.

Zwar hält das zuständige Wirtschaftsministerium fest, dass man für die von der Regierung zu erstellende Liste an prioritären Großprojekten eine Ausnahme von der UVP-Richtlinie der Europäischen Union in Anspruch nehmen will. Das weise allerdings darauf hin, "dass dem einbringenden Ressort die unionsrechtliche Brisanz des Entwurfs vor Augen stand", heißt es in der im Auftrag der Arbeiterkammer erstellten Expertise.

Zugang zu Informationen

Zudem werde durch die angestrebte Genehmigungsautomatik (nach einem Jahr – sofern das UVP-Verfahren nicht fertig ist, Anm.) der wenige Tage vor dem Standortgesetz vorgelegte Entwurf der geplanten Änderungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes konterkariert. Mit dem UVP-Gesetz implementiert Österreich die Grundsätze der Aarhus-Konvention. Das ist ein Übereinkommen der Wirtschaftskommission für Europa (Unece), mit dem der Zugang zu Informationen in Umweltverfahren, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und der Zugang zu Gerichten sichergestellt wird. Mit oder ohne Aarhus: Auch gemäß EU-UVP-Richtlinie führt kein Weg an der Einbindung der Bürger in Großverfahren vorbei: Artikel 11 sieht das Recht auf Stellungnahme zu einem Zeitpunkt vor, wo "alle Optionen noch offenstehen und bevor die Entscheidung über den Genehmigungsantrag getroffen wird".

Diese bereits von Verfassungsrechtsexperten kritisierte Genehmigungsfiktion für UVP-pflichtige Projekte – und nur solche können auf die Prioritätenliste des Ministerrats gelangen – sei auch verfassungsrechtlich bedenklich, warnt Madner: Ein Automatismus, der eine Einzelfallprüfung zum erforderlichen Schutz der Interessen betroffener Parteien oder Nachbarn "abschneidet, ist unsachlich" und genüge nicht dem Legalitäts- und Rechtsstaatlichkeitsprinzip. Daran ändere auch ein Bescheid nichts, den die UVP-Behörde ausfolgen soll – nachdem die Genehmigung ex lege erteilt wurde – und mit dem nachteilige Auswirkungen eines standortrelevanten Vorhabens gemildert werden sollen. "Der Nachbarschutz wird damit in unsachlicher Weise verkürzt." Verfassungswidrigkeit attestiert die Rechtsprofessorin nicht zuletzt dem Ansinnen, die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht abzuschaffen. Das widerspreche schlicht der Europäischen Menschenrechtskonvention. (ung, 17.8.2018)