Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Händler im Großen Basar in Istanbul wartet auf Kundschaft. Touristen vor allem aus Russland, den Golfstaaten und mittlerweile auch aus China halten dieses Jahr das Geschäft in Istanbul und an der Mittelmeerküste am Laufen. Millionen von Türken sind nun aber auch während der neun arbeitsfreien Tage zum Opferfest unterwegs. Viele klagen über exorbitante Preise.

AP / Lefteris Pitarakis

Als Vaterlandsverräter werden sie beschimpft oder gleich als "Hunde". In den großen türkischen Ferienorten galoppieren manche Händler und Restaurantbesitzer der Inflation noch voraus und zocken Urlauber während der Feiertage zum muslimischen Opferfest ab. Türkische Gäste in Pamukkale oder in Bodrum berichten empört über drei- oder viermal höhere Preise für Mineralwasser, eine Tasse Kaffee oder ein Lahmacun. Kultur- und Tourismusminister Mehmet Nuri Ersoy erklärte sich am Donnerstag "betrübt" und versprach: "Wir werden das von jetzt an nicht erlauben."

Das hat allerdings auch schon die Handelskammer in der Touristenhochburg Bodrum zu Beginn dieser langen Urlaubswoche für die Türken angekündigt. Bis zur Geschäftsschließung könnten die Strafen für Wucherpreise reichen, so hieß es. Eine Vielzahl Gewerbetreibender hat das offenbar nicht abgeschreckt.

Teure Pizza

So werden etwa 15 Lira für ein Flascherl Wasser verlangt, das im Supermarkt derzeit noch eine halbe Lira kostet. Eine Minitasse türkischer Kaffee kommt mitunter auf 16 Lira, wenigstens dreimal mehr als in Großstädten üblich. Für die "türkische Pizza", das in der Türkei wie im Nahen Osten und im Kaukasus populäre Lahmacun, sollen Preise zwischen 34 und 70 Lira verlangt worden sein; 20 Lira galten bis vor kurzem als normal.

Seit Donald Trumps Wutanfall und der rasanten Beschleunigung des Liraverfalls ist jedoch nichts mehr normal in der Türkei. Der US-Präsident hackte bis vor wenigen Tagen immer wieder auf der Türkei herum und kündigte weitere wirtschaftliche Sanktionen an, bis seine Aufmerksamkeit von den Ermittlungen gegen seine früheren Mitarbeiter in Anspruch genommen wurde.

"Wirtschaftskrieg" der USA

Die neun arbeitsfreien Tage zum Opferfest, die Ankara den Bürgern im Land bis zum kommenden Sonntag verordnete, haben der Türkei etwas Pause von den Finanzmärkten verschafft. Die Währung hielt sich bisher weitgehend stabil um die sechs Lira für einen Dollar. Wie volatil die Lage aber ist, zeigte sich am Donnerstagvormittag, als der türkische Präsidentensprecher wieder von einem "Wirtschaftskrieg" der USA gegen die Türkei sprach. Die Lira rutschte sogleich auf 6,12 ab, fing sich aber bald wieder. Was aber nächste Woche werden wird, wenn die Ferien vorbei sind und Donald Trump auch wieder Interesse an der Türkei und dem dort festgehaltenen Pastor Andrew Brunson finden mag, das fragen sich viele im Land.

Bei 15,85 Prozent stand die Inflation bei den Verbraucherpreisen im vergangenen Monat. In einzelnen Bereichen ist der Preisauftrieb noch höher – von der Gastronomie in Bodrum abgesehen. Um mehr als 17 Prozent stiegen die Kosten für eine Hotelübernachtung, um mehr als 24 Prozent die Preise im Transport im Vergleich zum Vorjahr. Dennoch ist etwa bei Inlandsflügen ersichtlich, dass die Preise stabil gehalten werden: Ein Flug nächste Woche von Istanbul nach Adana kostet bei Turkish Airlines derzeit ab 220 Lira, umgerechnet 31 Euro. Auch der Preisauftrieb bei Grundnahrungsmitteln wird gezügelt. Ein Liter Milch oder ein Kilo Zucker kosten im Supermarkt im Moment um die 5,40 Lira (77 Cent), ein Kilo Tomaten je nach Qualität 3,75 bis acht Lira (0,54 bis 1,14 Euro). Der Mindestlohn in der Türkei ist dieses Jahr auf 2030 Lira festgesetzt worden (derzeit 290 Euro).

Billige Immobilien

Der Währungsverfall von 35 Prozent allein seit Beginn dieses Jahres schlägt aber voll im türkischen Immobilienmarkt durch. Ausländische Interessenten haben vor Beginn der Feiertage noch Maklerbüros in Istanbul und in den Ferienorten am Mittelmeer und an der Ägäis in deutlich höherer Zahl kontaktiert, berichtete die Branche. Das wird sich im September wohl fortsetzen, wenn sich nach allgemeiner Einschätzung der Ökonomen die Währungskrise in der Türkei zu einer Schuldenkrise auswächst.

Immobilienpreise werden von den Maklern zumeist noch in Lira angeben, in der Praxis aber werden die Geschäfte in Dollar und Euro abgewickelt. Moderne Wohnungen in halbwegs guter Lage im Istanbuler Innenstadtviertel Şişli mit 150 Quadratmetern oder mehr kosten derzeit zwischen 1,5 und zwei Millionen Lira (214.000 bis 286.000 Euro). Um denselben Preis sind derzeit historische Häuser auf der Insel Bozcaada oder Villas in Ayvacık an der gegenüberliegenden Küste zu haben. Ein kleines Apartment in der Region um Datça bei Bodrum kostet umgerechnet ab 50.000 Euro. Preise für Mietwohnungen sind in der Türkei von jeher an eine Inflationsrate gekoppelt und stiegen schon vor der Lirakrise jährlich um die zehn Prozent. (Markus Bernath, 23.8.2018)