Berlin – Nach den Ausschreitungen in Chemnitz haben Ökonomen vor den Folgen einer zunehmenden Aggression gegen Zuwanderer gewarnt. "Ereignisse wie in Chemnitz werden die wirtschaftliche und soziale Polarisierung in Deutschland weiter verstärken", sagte der Präsident des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, am Dienstag dem "Handelsblatt".

Nicht nur Ausländer, sondern auch "eine große Mehrheit der Deutschen" wolle nicht in Städten und Regionen leben, "in denen Menschen Selbstjustiz betreiben" und Fremdenhass vorherrsche. Es sei daher "höchste Zeit", dass die Politik in den betroffenen Regionen Farbe bekenne und sich klar für Zuwanderung, Toleranz und Vielfalt ausspreche, sagte Fratzscher der Zeitung. "Nur so kann der Teufelskreis durchbrochen werden, bei dem vor allem schwache Regionen in Ostdeutschland immer weiter abgehängt werden – wirtschaftlich, sozial und auch politisch."

"Öffentliche Ordnung wichtig für Wohlstand"

Auch der Vize-Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH), Oliver Holtemöller, warnte vor den Folgen der Ausschreitungen. "Die öffentliche Ordnung ist ein wichtiger Faktor für wirtschaftlichen Wohlstand", sagte er dem "Handelsblatt". Dazu gehörten "verlässliche" rechtsstaatliche Strukturen und das Gewaltmonopol des Staates. "Die aktuellen Ereignisse in Chemnitz könnten durchaus auch die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt negativ beeinflussen", sagte Holtemöller.

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte (CDU), warnte hingegen vor überzogenen Schlussfolgerungen aus den Ereignissen. "Niemand sollte aus der schnellen Empörung heraus über einem ganzen Bundesland und seinen Bürgern den Stab brechen", sagte er der Zeitung.

"Der Freistaat Sachsen und alle, die sich dort für Recht, Ordnung und Offenheit einsetzen, haben unsere Unterstützung verdient und nicht unsere Belehrungen." Gleichwohl dürfe eine Tat wie in Chemnitz nicht dazu führen, dass ein Mob versucht, den Rechtsstaat außer Kraft zu setzen.

In Chemnitz war es am Montagabend zu Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken gekommen, bei denen mehreren Menschen verletzt wurden. Bereits seit Sonntag gibt Demonstrationen in der Stadt. (APA/AFP, 28.8.2018)