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Ein anonymer Leitartikel in der "New York Times" sorgt seit Tages für Aufsehen.

Foto: AP/Richard Drew

Washington – Der anonyme Gastbeitrag eines ranghohen Regierungsmitarbeiters in der "New York Times" ist ein beispielloser Vorgang in der Geschichte der US-Präsidentschaft. Zwar haben seit der Zeit des ersten US-Präsidenten George Washington immer wieder Regierungsmitarbeiter gegen ihren Chef gearbeitet. Speziell am aktuellen Fall ist aber sowohl das Ausmaß als auch der offensive Gang an die Öffentlichkeit.

"Es gibt dafür keinen Präzedenzfall in der Geschichte der USA", sagt der Politikwissenschaftler James Thurber von der American University in Washington. Es gebe allenfalls einige ähnliche Fälle, darunter einer aus dem Jahr 2013, als ein Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrats über ein anonymes Twitter-Konto ranghohe Berater von Präsident Barack Obama kritisierte. Der Mann wurde später bei verdeckten Ermittlungen identifiziert und entlassen.

Allerdings handelte es sich damals nur um einen Beamten der mittleren Führungsebene. Der anonyme Autor des "New York Times"-Artikels ist dagegen nach eigenen Angaben ein "hochrangiges Regierungsmitglied".

Politologe: Nur mit "Deep Throat" vergleichbar

Der noch am ehesten vergleichbare Fall aus der jüngeren US-Geschichte ist nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Larry Sabato von der Universität von Virginia die Watergate-Affäre: Eine als "Deep Throat" bekannte Quelle, die sich erst 2005 als der ehemalige FBI-Vizechef Mark Felt zu erkennen gab, lieferte damals den "Washington Post"-Reportern Bob Woodward und Carl Bernstein die entscheidenden Hinweise zu der Abhöraffäre. Die Enthüllungen trugen maßgeblich zum Rücktritt von Präsident Richard Nixon 1974 bei.

Mit derart folgenschweren Konsequenzen rechnen Experten im aktuellen Fall nicht. Thurber geht etwa nicht davon aus, dass bei Trump der 25. Verfassungszusatz zur Anwendung kommt, demzufolge ein US-Präsident wegen Amtsunfähigkeit abgesetzt werden kann. Der Skandal um den "New York Times"-Artikel werde für Trump nur "geringe" konkrete Auswirkungen haben, "aber weiter das Vertrauen in seine Präsidentschaft in den USA und weltweit untergraben". (APA, 7.9.2018)