Chemnitz/Berlin – Nach den Äußerungen von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen über die Vorfälle in Chemnitz und deren Bewertung hat sich die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) für seine Entlassung ausgesprochen. "Herr Maaßen stellt die Glaubwürdigkeit von Politik, Medien und den vielen Augenzeugen infrage", sagte Dreyer der "Bild am Sonntag".

Er schaffe damit "weitere Verunsicherung und zerstört damit Vertrauen in unseren Staat". "Ich glaube daher nicht, dass er noch der richtige Mann an dieser Stelle ist", bilanzierte die SPD-Politikerin.

Maaßen zweifelte Echtheit von Videos an

Zuvor hatten bereits mehrere hochrangige SPD-Politiker Zweifel an Maaßens Eignung für das Amt angemeldet, darunter Parteichefin Andrea Nahles. Sie sagte dem "Tagesspiegel", die Äußerungen von Maaßen und Innenminister Horst Seehofer (CSU) zu den Vorfällen in Chemnitz ließen "zweifeln, ob die beiden geeignet sind, unsere Verfassung und damit unsere Demokratie zu schützen".

Maaßen hatte am Freitag die Echtheit eines Videos von einer möglichen Hetzjagd gegen Migranten in Zweifel gezogen. "Die Skepsis gegenüber den Medienberichten zu rechtsextremistischen Hetzjagden in Chemnitz wird von mir geteilt", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Nach meiner vorsichtigen Bewertung sprechen gute Gründe dafür, dass es sich um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken."

Seehofer: Migration "Mutter aller Probleme"

Die Äußerungen sorgten quer durch die Parteien für Unmut. Kritisiert wurde unter anderem, dass Maaßen keinerlei Begründung für seine Einschätzung lieferte. Seehofer stellte sich hingegen hinter Maaßen und sagte, sein Informationsstand sei "identisch". Außerdem bezeichnete der Minister die Migration als "Mutter aller Probleme".

Nahles sagte dazu im "Tagesspiegel", wenn Seehofer von der "Mutter aller Probleme" spreche, meine er in Wirklichkeit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). "Die Mutter aller Lösungen ist der Zusammenhalt in unserem Land", fügte die SPD-Chefin hinzu. Daran sollten die Bundesregierung und Seehofer nun "endlich arbeiten". Der Innenminister rege jedoch "ständig alle auf, ist aber in der Praxis ein Ausfall", kritisierte Nahles.

Aktenfehler verhinderte Abschiebung in Chemnitz

Unterdessen wurde am Sonntag bekannt, dass die Abschiebung eines tatverdächtigen Asylbewerbers im Chemnitzer Tötungsfall an einem Aktenfehler in der dortigen Ausländerbehörde gescheitert ist. Die Behörde habe zwar im Mai 2016 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einen Brief mit einer Abschiebefrist bis November erhalten, berichtete die "Bild am Sonntag" unter Berufung auf einen Behördensprecher.

Diese Frist sei aber "nicht in die Akte übertragen" worden. In der Behörde sei man deswegen davon ausgegangen, nur bis August Zeit zu haben. Weil dies als zu kurzfristig eingeschätzt worden sei, seien im Juli 2016 alle Abschiebevorbereitungen eingestellt worden.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte zuletzt das BAMF für die erfolglose Abschiebung verantwortlich gemacht. Nach der Tötung eines Deutschen vor knapp zwei Wochen war es im ostdeutschen Chemnitz zu Straßenprotesten und Aufmärschen rechter Gruppen gekommen. Dabei kam es auch zu Ausschreitungen. Wegen der Tat sitzen zwei Asylbewerber in Untersuchungshaft. Nach einem dritten Tatverdächtigen, einem Iraker, wird gefahndet. (APA/AFP, 9.9.2018)