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Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio sieht sich im Tauziehen ums Budget als Sieger.

Foto: AP/Alessandro Di Meo

Um Mitternacht, nach der Verabschiedung des Finanzplans durch die Regierung, traten die Minister der Cinque Stelle auf den Balkon des Regierungsgebäudes Palazzo Chigi, um sich von einigen Dutzend Anhängern feiern zu lassen. "Wir haben einen Plan beschlossen, mit dem in Italien erstmals die Armut besiegt wird", erklärte Vizepremier und Arbeitsminister Luigi Di Maio. Zum ersten Mal in der Geschichte der Republik stehe der Staat auf der Seite der Bürger, und "zum ersten Mal nimmt er ihnen nichts weg, sondern er gibt ihnen etwas", betonte der Süditaliener in der Nacht auf Freitag.

Der italienische Innenminister Matteo Salvini verteidigt im Interview mit der römischen Tageszeitung "Il Messaggero" (Samstagsausgabe) die Defizitziele und den Budgetentwurf Italiens. "Wir haben einen intelligenten, mutigen und zugleich verantwortungsbewussten Budgetentwurf verfasst", sagt er. Es sei nicht verantwortungslos, Jugendliche bei der Suche einer Arbeit zu unterstützen, die Mindestpensionen zu erhöhen und die Steuerlast zu senken. "In Brüssel waren alle ruhig, solange Italien einen Haushalt entwarf, der die Italiener verarmte. Wir wollen mit dem neuen Budget dafür sorgen, dass Italien wächst. Das mögen offenbar einige nicht. Die Finanzmärkte werden sich beruhigen. Das ist kein Problem. Mich interessiert es, Antworten auf die Probleme der Italiener zu finden."

Die angekündigten Wohltaten – erste Schritte in Richtung eines Bürgereinkommens, eine Steuerreduktion sowie die Senkung des Rentenalters – erfolgen allerdings auf Pump: Das Defizit im Staatshaushalt soll 2019 um 27 Milliarden Euro erhöht werden. Damit wird es 2,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) betragen; für die zwei folgenden Jahre ist ein gleich hohes Defizit geplant.

Größter Schuldenberg in der EU

Die Vorgängerregierung von Paolo Gentiloni hatte sich mit der EU-Kommission im April noch auf 0,8 Prozent geeinigt. Dies hätte einen leichten Abbau der Schuldenquote erlaubt. Die Staatsschuld liegt derzeit bei 2.300 Milliarden oder 132 Prozent des BIP. Absolut gesehen ist dies der höchste Schuldenberg in der EU und der dritthöchste der Welt.

Der parteilose Finanzminister Giovanni Tria hatte wochenlang für eine weniger expansive Ausgabenpolitik gekämpft – und musste angesichts des Powerplays der populistischen Regierungspartner, die ihre teuren Wahlversprechen wenigstens teilweise einlösen wollten, schließlich nachgeben. Tria hatte ein Defizit von 1,6 Prozent angepeilt – ein Ziel, mit dem er hoffte, ein Defizitverfahren durch die EU-Kommission gerade noch vermeiden können.

Verschuldung "explosiv"

EU-Wirtschafts- und -Währungskommissar Pierre Moscovici hat ein solches gestern nicht ausgeschlossen: "Pactae sunt servandae", erklärte der Franzose in einem TV-Interview auf Lateinisch: Abmachungen seien einzuhalten. Die Staatsverschuldung Italiens sei "explosiv" und: Das Budget liege "außerhalb der Grenzen unserer gemeinsamen Regeln". Die EU-Kommission wird den italienischen Finanzplan Mitte Oktober genau prüfen.

Auch die Finanzmärkte haben nervös reagiert: Die Mailänder Börse sackte deutlich ab; besonders schlimm traf es die Aktienkurse der Banken, die 350 Milliarden Euro an Staatsanleihen in ihren Büchern haben. Etliche Bankentitel mussten vorübergehend vom Handel ausgesetzt werden.

Renditen ziehen an

Die Kurse der italienischen Staatsanleihen stürzten ab, die Renditen schnellten in die Höhe. Es trat ein, wovor Finanzminister Tria gewarnt hatte: "Es besteht die Gefahr, dass wir das zusätzliche Geld, das wir uns leihen, gleich wieder für höhere Zinsen ausgeben werden." Italienische Medien berichteten, dass Tria eigentlich aus Protest zurücktreten wollte. Staatspräsident Sergio Mattarella habe ihn jedoch gebeten, zu bleiben – um die Verunsicherung auf den Märken nicht zu verstärken.

Doch auch mit Trias Verbleiben im Amt könnte es für Italien leicht noch schlimmer kommen: Im Oktober werden die Ratingagenturen Moody's und Standard & Poor's ihre neuen Bonitätsnoten verteilen. Italiens Anleihen liegen schon jetzt nur knapp über Ramschniveau – sollten sie weiter hinuntergestuft werden, dürften institutionelle Anleger möglicherweise schon bald keine italienischen Schulden mehr kaufen.

Das könnte unabsehbare Folgen haben: Immerhin muss Italien – zusätzlich zur geplanten Neuverschuldung – jedes Jahr alte Anleihen in der Höhe von 400 Milliarden Euro durch neue ablösen. (Dominik Straub aus Rom, 28.9.2018)

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