Obwohl in der EU Patente auf Pflanzen und Tiere nicht erlaubt sind, sichern sich internationale Konzerne immer wieder Biopatente auf Bier oder Paradeiser.

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Wien – Getigerte Tomaten, marmorierte Bohnen, lilafarbener Mais – die kultivierte Natur ist vielfältig und bunt. In den Handel kommt allerdings nur ein Bruchteil dessen, was weltweit aus den Böden sprießt. Die US-Regisseure Taggart Siegel und Jon Betz singen in ihrem eben in den Kinos anlaufenden Dokumentarfilm Unser Saatgut ein Hohelied auf die Sortenvielfalt.

Nicht ohne eindringlich zu warnen wie bedroht selbige ist. Mehr als 90 Prozent aller Saatgutsorten seien bereits verschwunden. Um nur ein Beispiel zu nennen: 544 verschiedene Kohlarten gab es vor hundert Jahren, heute sind es 25. Warum das so ist, erklären die Dokumentarfilmer mit dem Aufkommen der Hybridsaat in den 1920er-Jahren, mit der die Bauern plötzlich reiche Ernten einfuhren. Von deren Erfinder und Erzeuger zeichnen sie ein wenig freundliches Bild.

Die üblichen Verdächtigen

Es sind die üblichen Verdächtigen, die eine Rolle spielen: Chemiekonzerne wie Syngenta oder die jüngst von Bayer übernommene Monsanto, die sowohl Hybridsaat produziert als auch Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmittel vertreibt und die Früchte der Arbeit durch Patente absichert – die Wurzel allen Übels für Siegel und Betz. Nicht nur für sie. Das Thema kam dieser Tage auch am Sitz des Europäischen Patentamts (EPA) in München zur Sprache.

Denn obwohl in der EU Patente auf Pflanzen und Tiere nicht erlaubt sind, sichern sich internationale Konzerne immer wieder Biopatente auf Bier oder Paradeiser. "Im europäischen Patentrecht ist nicht genau definiert, was biologisch exakt meint", sagt Katherine Dolan von der heimischen Saatgutinitiative Arche Noah. Jüngstes Beispiel: Die Brauereiriesen Heineken und Carlsberg ließen sich spezielle, konventionell gezüchtete Gerstenpflanzen, deren Ernte und die damit erzeugten Produkte patentieren. Das Bündnis "Keine Patente auf Saatgut" erhob Einspruch – mit überschaubarem Erfolg. Zwei der drei Patente wurden etwas eingeschränkt, die Entscheidung hinsichtlich des dritten stehe noch aus, sagt Dolan.

Hoffnung auf Beschwerdekammer

Jetzt will man sich an die Beschwerdekammer der EPA wenden. Die Hoffnung: "Das Patentamt ist sich bewusst, dass es eine kritische Diskussion gibt, es könnte anders entscheiden." Dolan hält es für unabdingbar, dass Österreichs Regierung die sehr viel strengere heimische Regelung in München lautstark vertritt. Denn Initiativen wie die Arche Noah haben im Europäischen Patentamt, das kein EU-Gremium ist, kein Mitspracherecht. Nur die Mitgliedsländer (darunter Österreich) können Position beziehen.

Eine überraschende Wende bahnt sich dagegen im Glyphosatprozess gegen Monsanto an. Im ersten US-Prozess um angebliche Krebsrisiken von Unkrautvernichtern gab die Richterin vorläufig einem Monsanto-Antrag statt, die Strafzahlungen von 250 Millionen Dollar neu zu verhandeln. (Regina Bruckner, 12.10.2018)