Bhutan ist eine der jüngsten Demokratien der Welt.

Foto: AFP/DIPTENDU DUTTA

Außenpolitik war im Wahlkampf tabu, und nationale Sicherheit auch. Darauf hatten sich die vier Parteien geeinigt, die zu der dritten Parlamentswahl in Bhutan angetreten waren. Zu "sensibel" seien diese Themen, zu destabilisierend könnten sich die Debatten auf das kleine Land im Himalaja auswirken.

Die Sorge kam nicht von ungefähr. Vor fünf Jahren, in den politischen Schlammschlachten vor der zweiten Parlamentswahl des Landes, stoppte Indien einen Monat lang Gas- und Kerosinsubventionen. Der dramatische Preisanstieg traf die gesamte Bevölkerung. Ein "technischer Fehler", meinte Indien. Doch allen war klar, dass es ein Denkzettel für die damals regierende Druk Phunsum Tsogpa (DPT, Vereinigte Bhutan-Partei) war, die versucht hatte, die Beziehungen zu China zu verbessern – oder eher: zumindest aufzunehmen.

Und die Maßnahme Indiens zeigte Früchte: Die DPT verlor die Wahl, dafür kamen zwei Indien-freundliche Parteien in die Stichwahl. Anders als etwa in Österreich besteht das Parlament in Bhutan nur aus zwei Parteien. In einem ersten Wahlgang können beliebig viele Parteien antreten, doch nur die zwei mit den meisten Stimmen kommen in die Stichwahl.

Regierungspartei ist schon draußen

Die diesjährige Stichwahl findet am Donnerstag statt. Dass es danach zu einem Regierungswechsel kommen wird, ist jetzt schon sicher. Denn die bisher regierende Volksdemokratische Partei (PDP, People's Democratic Party) hatte die Hürde der ersten Wahlrunde im September nicht geschafft. An erster Stelle fand sich überraschend die relativ neue Druk Nyamrub Tsogpa (DNT, Gemeinsames-Bhutan-Partei) mit 32 Prozent – und wieder mit dabei an zweiter Stelle die DPT mit 31 Prozent.

Welche der beiden Parteien das Rennen macht, wird sich auch auf den Machtkampf zwischen den Weltmächten China und Indien auswirken. Bhutan ist traditionell von Indien abhängig. Die diplomatischen Beziehungen Bhutans liefen noch bis 2007 über den Riesen im Süden. Dass damit nicht alle im Land zufrieden sind, zeigte schon der Sieg der DPT bei der ersten Wahl 2008.

Die DNT wurde erst 2013 gegründet und gilt als proindisch. Die DPT wiederum möchte Bhutan aus der indischen Umklammerung führen. Der damalige Premier Jigme Thinley (DPT) traf sich mit seinem chinesischen Amtskollegen Wen Jiabao – was Indien brüskierte. Es soll auch Thinley gewesen sein, der im vergangenen Sommer die richtigen Telefonate tätigte, um die Krise am Doklam-Plateau beizulegen. Damals standen sich 72 Tage lang schwerbewaffnete indische und chinesische Soldaten auf bhutanischem Territorium gegenüber. China hatte Straßen bis in bhutanisches Gebiet gebaut, Indien kam zur Verteidigung Bhutans – und der eigenen Interessen.

Einfluss im Himalaja

Denn für China und Indien geht es um mehr als um Bhutan. China versucht im Himalaja-Raum die Oberhand zu gewinnen und wichtige Wasserressourcen und geopolitisch zentrale Positionen zu kontrollieren. Indien zählt wiederum auf die Stromlieferungen aus den bhutanischen Wasserkraftwerken und verteidigt seinen schmalen "Chicken Neck" – den Korridor, der Indiens Nordostgebiete mit den Ebenen verbindet.

Dass Indien Einfluss im Himalaja verliert, zeigt sich in Nepal, ein paar hundert Kilometer weiter westlich. Ähnlich wie Bhutan stand das Land immer unter indischer Schutzmacht. Doch seit dem Aufstieg der Maoisten und dem Sturz der Monarchie 2006 konnte China sukzessive an Einfluss gewinnen. Mittlerweile sind die chinesischen Investments rasant gestiegen. Nepal hat vor kurzem ein Abkommen mit China über die Benutzung chinesischer Häfen abgeschlossen. Die Bevölkerung steht zum großen Teil hinter den neuen Entwicklungen.

Auch in Bhutan wächst die wirtschaftliche Kooperation mit China: Peking ist mittlerweile drittgrößter Importeur. Im Vorfeld der Wahl besuchten hochrangige Vertreter Chinas das kleine Land im Himalaja.

Hohe Suizidrate im Land des Glücks

Und Bhutan kann die neue Aufmerksamkeit aus China gebrauchen. Die Jugendarbeitslosigkeit steigt seit Jahren, Drogenprobleme in der Hauptstadt Thimphu werden immer dramatischer, das Land verzeichnet alarmierende Suizidraten. Das Konzept des "Bruttonationalglücks" sorgt zwar seit Jahrzehnten international für Sympathien. Als eines der ärmsten Länder der Welt erhält Bhutan Entwicklungsgelder – Österreich ist einer der größten Geldgeber. Bhutan setzte bisher auf die internationale Marke des homogenen, glücklichen, buddhistischen Königreichs.

Aber: Dass das die nichtbuddhistischen Minderheiten im Land ausschließt, wird dabei oft vergessen. In den 1990er-Jahren flohen bis zu 100.000 Menschen, die vor Jahrzehnten aus Nepal eingewandert waren. Die "Lhotshampas" beklagten Repressionen bis hin zu Folter durch die Regierung. Wie viele in Bhutan selbst geblieben sind, ist nicht bekannt. Als DNT-Parteiführer Lotay Tsering aktuell bei seinen Wahlveranstaltungen auch auf Nepali sprach, wurde das von vielen Lhotshampas positiv aufgenommen.

Dass auch die Wähler der bereits ausgeschiedenen PDP eher die proindische DNT wählen als die auch nach China offene DPT, gibt der DNT etwas bessere Chancen im zweiten Wahlgang. Doch schon die zwei Wahlen zuvor haben in Bhutan gezeigt: Das Land ist für Überraschungen gut. (Anna Sawerthal, 17.10.2018)