Stuttgart – Zum Jahresauftakt demonstriert die FDP ihre Bereitschaft zur Regierungsübernahme, grenzt sich aber auch von den möglichen Partnern ab: FDP-Chef Christian Lindner sagte beim Dreikönigstreffen seiner Partei am Sonntag in Stuttgart: "Wer uns ein faires Angebot zur Erneuerung des Landes macht, kann zu jeder Zeit damit rechnen, dass wir bereit sind, für dieses Land Verantwortung zu übernehmen."

Unter dem Beifall seiner Anhänger im Stuttgarter Opernhaus legte Lindner der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut nahe, nach ihrem Verzicht auf den CDU-Vorsitz zeitnah auch das Amt der Regierungschefin abzugeben. Was an der Spitze der CDU richtig sei, das könne an der Spitze des Staates nicht falsch sein. "Deutschland braucht einen neuen Aufbruch und keine Zwischenphase, in der nicht mehr entschieden und gestaltet wird."

"Das ist reaktionär"

Kritisch setzte sich der FDP-Vorsitzende mit der neuen CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer auseinander. Diese habe für Steuererhöhungen plädiert und vertrete gesellschaftspolitisch konservative Positionen – etwa bei der Ehe für alle. Diese habe sie in einem Atemzug mit Polygamie genannt, sagte der FDP-Vorsitzende. "Das ist reaktionär."

Lindner hielt der CDU zudem vor, sich mit der Entscheidung gegen den Vorsitz-Kandidaten Friedrich Merz auch gegen dessen "Agenda für die Fleißigen" gewandt zu haben. Wenn die CDU nicht dafür eintrete, werde sich eben seine Partei dafür stark machen.

Der FDP-Chef kritisierte die CDU auch im Zusammenhang mit dem Solidaritätszuschlag. Bei den schließlich gescheiterten Verhandlungen über ein Jamaika-Bündnis von 2017 habe sich die Union hinter den Zahlen versteckt, jetzt verstecke sie sich hinter der SPD.

Soli-Verzicht

Die FDP fordert einen kompletten Verzicht auf den Soli bis Anfang kommenden Jahres. Die CDU hat auf ihrem Parteitag vom Dezember 2018 die Forderung nach dem Aus für den Soli bis 2021 beschlossen. Die SPD lehnt einen kompletten Verzicht auf den Zuschlag ab.

Ungeachtet seiner Bereitschaft, erneut über ein mögliches Jamaika-Bündnis zu sprechen, grenzte sich Lindner auch von den Grünen ab. Diese wollten "ein Europa der Gleichmacherei und der Verwischung von Verantwortung", sagte er mit Blick auf die bevorstehenden Europawahlen. Und das Konzept einer Garantiesicherung von Grünen-Chef Robert sei ein "Verarmungsprogramm und ein Programm zur Strangulierung privater Investitionen".

"Boom-Bremse"

Der baden-württembergische FDP-Landesvorsitzende Michael Theurer ging in seiner Kritik an Kramp-Karrenbauer noch weiter. Sie sei eine "Boom-Bremse", betonte der Vizechef der FDP-Fraktion im Bundestag. Die FDP startet traditionell mit dem Dreikönigstreffen ins neue Jahr und nutzt dies regelmäßig dazu, sich von den anderen Parteien abzugrenzen.

FDP-Generalsekretärin Nicola Beer, die die Liberalen als Spitzenkandidatin in die Europawahlen führen soll, rief zu mehr Gemeinsamkeit in der EU auf. In der Union stünden nationale Alleingänge auf der Tagesordnung, was auch für Deutschland gelte. Europa werde von Populisten von rechts und links angegriffen, dem wollten sich die Liberalen entgegenstellen.

Grünen-Chef Robert Habeck zeigte sich indes skeptisch, was einen fliegenden Koalitionswechsel betrifft. "Je weiter die Legislaturperiode voranschreitet, desto unwahrscheinlicher wird ein Regierungswechsel", sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. "Eine neue Koalition würde dann sofort in den Wahlkampfmodus gehen", sagte Habeck.

Nach der Bundestagswahl im Jahr 2017 hatten CDU, CSU, FDP und Grüne über eine Koalition verhandelt, nachdem die Sozialdemokraten einer Fortsetzung der Großen Koalition mit der Union eine kategorische Absage erteilt hatten. Die FDP ließ die Jamaika-Verhandlungen jedoch platzen, was letztlich doch zu einer Neuauflage der Großen Koalition führte. In den Umfragen setzte danach ein Höhenflug der Grünen ein, die seitdem bei Landtagswahlen mehrere Erfolge feiern konnten, während die FDP nicht von der Schwäche der beiden Regierungsparteien profitieren konnte. (APA, 6.1.2019)