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Präsident Milo Ðukanović im Oktober 2018 im Europäischen Parlament in Straßburg.

Foto: REUTERS/Vincent Kessler

Auf dem Klassenfoto aus dem Jahr 1973 sind der kleine Duško und der kleine Migo zu sehen, als sie noch das Gymnasium besuchten. Auch danach hielt die Freundschaft der beiden Montenegriner einige Jahrzehnte. Beide wurden nicht nur reich, sondern auch einflussreich. Slavoljub Stijepović – kurz Migo genannt – wurde Bürgermeister von Podgorica und ein wichtiger Mann in der Regierungspartei DPS. Duško Knežević wurde Chef der Atlas-Bank. Verbunden waren die beiden über Jahrzehnte vor allem über die Partei und deren Chef, einen anderen Mann, der die Geschicke des kleinen Adriastaates so sehr beeinflusst wie kein anderer: Milo Ðukanović, der heute wieder einmal Präsident des Landes ist.

Doch die alte Seilschaft der groß gewachsenen Männer ist nun gerissen. Duško Knežević, dessen Atlas-Bank wegen Finanzschwierigkeiten im Dezember unter die Aufsicht und die Verwaltung der Zentralbank gestellt worden ist, sitzt offenbar in London und schickt über seinen Instagram-Account Beschimpfungen und Drohungen in Richtung Migo und Milo. "Wer verkauft und verhaftet seine Kameraden, seine Taufpaten, seine Freunde?", steht unter dem Klassenfoto. Die Instagram-Botschaft offenbart die Vorstellungswelt des Herrn Knežević: Rechtsstaat und Gesetz hin oder her – montenegrinische Haberer bleiben in jedem Fall loyal.

Garantie über 20 Millionen

Was ist passiert? Die Atlas-Bank musste erstens wegen eines Gerichtsurteils eine Garantie über fast 20 Millionen Euro auszahlen. Zweitens wurden einige Kundenkonten wegen dubioser E-Commerce-Geschäfte von der Sonderstaatsanwaltschaft blockiert. Offenbar geht es um den Verdacht der Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Laut montenegrinischen Medien dürfte es sich um 500 Millionen Euro Umsatz durch diese Geschäftspraktiken handeln. Die Bank, die seit Jahren angeschlagen ist, verkraftete das nicht mehr. Die unabhängige Finanzexpertin Mila Kasalica geht davon aus, dass die Bank im schlimmsten Fall eine Rekapitalisierung von 75 Millionen Euro braucht.

Abgesehen davon wurde ein Haftbefehl gegen Knežević wegen Steuerhinterziehung erlassen. Knežević reagierte mit der Veröffentlichung einer peinlichen Videoaufnahme darauf. Diese zeigt, wie er dem ehemaligen Bürgermeister Slavoljub Stijepović – also seinem Schulfreund Migo – ein Kuvert mit Geld übergibt, angeblich 97.000 Euro. Viele mutmaßen, dass es sich um eine Parteispende handelt.

Verflechtung von Politik und Finanz

Die derzeitige montenegrinische Affäre rund um das Video zeigt, wie eng verflochten die Politik und das Bankenwesen in Montenegro sind. Weil Knežević, der nichts mehr zu verlieren hat, die Wichtigen und Mächtigen in Montenegro alle kennt, haben seine "Veröffentlichungen" auch politische Sprengkraft. Auf den Fotos auf seinem Instagram-Account ist immer wieder auch der Langzeitregent Milo Ðukanović zu sehen.

Auffällig ist jedenfalls, dass die Zentralbank sehr spät reagierte, wenn es um ihre Aufsichtspflicht gegenüber der Atlas-Gruppe ging. Denn es ist seit Jahren bekannt, dass die Bank in großen Schwierigkeiten steckt. Unabhängige Wirtschaftsprüfer gingen 2011 davon aus, dass 800.000 Euro an notwendigen Verlusten nicht angeführt wurden, 2012 wurde geschätzt, dass die Risikoprovisionen um 2,8 Millionen Euro unter dem tatsächlichen Wert angegeben wurden. 2014 wurde der Tochterbank in Russland unter anderem wegen Geldwäscheverdachts die Lizenz entzogen, weder das Eigenkapital (5,7 Millionen Euro) noch die zur Verfügung gestellte Kreditlinie (10,4 Millionen Euro) wurde offenbar von der Atlas-Bank als Muttergesellschaft entsprechend wertberichtigt.

Lage verschlimmerte sich

2015 soll sich die Situation noch verschlimmert haben, zusätzlich zu den bereits aus den Vorjahren bestehenden Bilanzlücken beanstandete der Wirtschaftsprüfer, dass die Wertberichtigungen der Bank um elf Millionen Euro unterbewertet waren, Forderungen gegenüber der Meinl Bank in Höhe von 15 Millionen Euro konnten vonseiten der Bank gegenüber den Wirtschaftsprüfern ebenfalls nicht belegt werden. Der Tochtergesellschaft Atlas Capital Financial Services in Zypern wurde dann im April 2016 die Lizenz entzogen, auch hier erfolgte keine Wertberichtigung der Beteiligung durch die Muttergesellschaft. Die deutsche Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO notierte im Jahr 2016, dass die Bank erheblichen Risiken in Zusammenhang mit notleidenden Krediten ausgesetzt sei und regulatorische Richtlinien nicht mehr erfüllt seien.

Einige montenegrinische Medien vermuten nun – auch aufgrund des veröffentlichten Videos –, dass die Zentralbank derart spät agierte, weil Knežević beträchtliche Parteispenden an die Demokratische Partei der Sozialisten (DPS) von Milo Ðukanović übergeben haben könnte. Das Pikante daran ist, dass die DPS aber keine Spenden von Knežević oder der Atlas-Gruppe in ihren Berichten anführt.

Zentralbank-Vizegouverneurin entlassen

Eine weitere mögliche Erklärung, weshalb die Zentralbank so spät agierte, könnte die Verbindung zwischen dem Zentralbankchef Radoje Žugić und Knežević selbst sein. Žugić erhielt 2011 einen Doktortitel von der Belgrader Bankenakademie. Und der Gründer und Präsident des Rates dieser Hochschule ist Knežević. Zentralbankchef Žugić sorgte in den letzten Monaten aber auch aus anderen Gründen für Aufsehen. Denn er veranlasste, dass die Vizegouverneurin der Zentralbank, Irena Radović, im Juli entlassen wurde. Radović wiederum hat gegen ihren Rauswurf geklagt – das Verfahren beginnt nun im Jänner. Die Zentralbank ist also auf mehreren Ebenen unter Druck.

Radović sagte, sie sei von Žugić unter Druck gesetzt worden, einem Banker, nämlich Christoph Schön von der Addiko Bank und ehrenamtlichem Präsidenten der Vereinigung der Auslandsinvestoren, die Lizenz zu entziehen. Radović verweigerte dies. Schön hatte zuvor stärkere Konsequenzen, um kriminellen Machenschaften vorzubeugen, verlangt. Eine andere Erklärung für den Versuch, Schön loszuwerden, ist, dass die Addiko Bank ein Schiedsgerichtsverfahren gegen Montenegro anstrengte, nachdem – ähnlich wie in Kroatien – ein Gesetz erlassen worden war, das zur rückwirkenden Zwangskonvertierung von Frankenkrediten führte.

Mangelnde Rechtsstaatlichkeit

Im Bankensektor in Serbien und Montenegro sind Korruption, Freunderlwirtschaft und politische Einflussnahme jedenfalls keine Seltenheit. Wer sich über mangelnde Rechtsstaatlichkeit aufregt, kann selbst Probleme bekommen. Die Zentralbanken können empfindlich reagieren, wenn auf Missstände im Bankensektor aufmerksam gemacht wird und stärkere Kontrollen gefordert werden. Manche werden sogar gezwungen, das Land zu verlassen, wie dies erst kürzlich mit dem österreichischen Banker Alexander Picker in Serbien geschah. Er hatte auf Malversationen in der Komercijalna Banka hingewiesen. (Adelheid Wölfl, 19.1.2019)