Derzeit sieht die Insel Hunga Tonga-Hunga Haʻapai so aus. Ob sie die nächsten 30 Jahre weiterbestehen wird, ist fraglich.
Grafik: Nasa

Die Geburt einer neuen Insel, die länger als nur wenige Monate überlebt, ist ein vergleichsweise seltenes Ereignis. Aus den vergangenen 150 Jahren sind Wissenschaftern nur drei bestätigte Fälle bekannt. Eine davon ist ein kleines Eiland im Südpazifik. Die über drei Kilometer lange Insel wuchs im Dezember 2015 während des Ausbruchs eines Unterwasservulkans im Königreich Tonga aus dem Meeresboden empor.

Die erst vor drei Jahren aus dem Meer aufgetauchte Insel versetzt Forscher in Erstaunen.
Foto: Nasa

Überraschend langlebig

Entgegen ursprünglichen Prognosen konnte sie sich bis heute gegen die Elemente behaupten. Die meisten Inseln mit einer vergleichbaren Genese werden binnen kurzer Zeit von Wind und Meer zerrieben. Offiziell ist das neue Stück Land noch namenlos, informell wird die Insel aber Hunga Tonga-Hunga Haʻapai genannt, nach den zwei benachbarten Inseln, mit denen sie teilweise verbunden ist, und dem Vulkan, der sie ausgespuckt hat. Seit ihrem feurigen Beginn haben Forscher die unwirtliche Insel im Visier. Unter anderem liefert dieses einmalige Freiluftlabor wertvolle Einblicke in geologische und nicht zuletzt auch biologische Vorgänge.

Video: Die Evolution einer Insel.
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Bisher allerdings beschränkten sich die Untersuchungen, abgesehen von wenigen Ausnahmen, auf Beobachtungen vom All oder von der Luft aus: Nasa-Wissenschafter um Dan Slayback vom Goddard Space Flight Center in Greenbelt, Maryland, studierten Hunga Tonga-Hunga Haʻapai in den vergangenen drei Jahren mit hochauflösenden Satellitenaufnahmen und Radaranalysen. Aufgrund der dabei gesammelten Daten erstellten die Forscher dreidimensionale Karten der Inseltopografie und registrierten den fortschreitenden Verlust an den Rändern und der Oberfläche.

Anfängliche Veränderungen

Erstmals betreten wurde Hunga Tonga-Hunga Haʻapai von den beiden Franzosen Damien Grouille und Cecile Sabau, die die Insel im Rahmen ihrer Weltumsegelung im Juni 2017 besuchten. Die dabei geborgenen Bodenproben ergaben zusammen mit den Satellitenmessungen und Aufnahmen vor Ort eine annähernd lückenlose Entwicklungsgeschichte des Eilands. Demnach durchlief die Insel in den ersten sechs Monaten dramatische Veränderungen. Seither allerdings blieb sie überraschend stabil.

Die Pflanzenwelt hat die Insel Hunga Tonga-Hunga Haʻapai bereits an zahlreichen Stellen erobert.
Foto: Dan Slayback

Vor kurzem endlich hatten auch Nasa-Wissenschafter persönlich die Gelegenheit, die jungfräuliche Insel zu betreten. Ein Team unter der Leitung von Slayback landete im vergangenen Oktober mit einem Boot an einem Küstenabschnitt von Hunga Tonga-Hunga Haʻapai, der auf Satellitenaufnahmen zunächst wie ein dunkler Sandstrand ausgesehen hatte. Tatsächlich aber erwies sich der Untergrund als Kiesbank, bestehend aus etwa erbsengroßen Steinchen, die das Gehen in Sandalen schmerzhaft machten, wie Slayback im Expeditions-Blog anmerkt.

Tier- und Pflanzenwelt erobert neues Land

Was vom Weltraum aus bereits offensichtlich war, bestätigte sich beim Blick aus der Nähe: Vegetation hatte die Insel bereits an zahlreichen Stellen in Beschlag genommen. Die Forscher vermuten, dass die Samen von Vögeln an diesen entlegenen Ort transportiert worden waren. Auch die Fauna hat bereits Einzug gehalten: Die Wissenschafter beobachteten eine Schleiereule sowie zahlreiche brütende Rußseeschwalben.

Dan Slayback vom Goddard Space Flight Center der Nasa betritt die junge Insel. Der Strand erwies sich als gröber als erwartet.
Foto: Nasa

Besondere Aufmerksamkeit erregte allerdings der Boden weiter im Landesinneren. "Da war überall Schlamm, der offenbar aus dem Trichter heraus gewaschen worden war", sagte Slayback. Das helle Lehm-ähnliche Material aus dem Krater erwies sich zudem als äußerst klebrig. "Obwohl wir es direkt vor Augen hatten, ist uns vorerst noch unklar, um was es sich dabei genau handelt. Ich bin nach wie vor am Rätseln, wie dieser Schlamm entstanden ist. Er besteht jedenfalls nicht aus Asche", so der Wissenschafter.

Rasante Erosion

Um das Mysterium aufzuklären, haben die Nasa-Wissenschafter Bodenproben gesammelt, exakte Vermessungen durchgeführt und auch Drohnen losgeschickt. Die Ergebnisse sollen in den kommenden Monaten veröffentlicht werden. Wie oft die Wissenschafter allerdings noch Gelegenheit zur Rückkehr haben werden, ist fraglich: "Die Insel erodiert durch den Regen wesentlich schneller als befürchtet", meint Slayback. Frühere Prognosen verhießen Hunga Tonga-Hunga Haʻapai eine Lebenszeit von bis zu 30 Jahren – womöglich waren die Forscher dabei allerdings zu optimistisch. (tberg, 5.2.2019)