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Am Donnerstagabend nannte Benjamin Netnajahu die Vorwürfe gegen ihn in einer TV-Ansprache eine "Hexenjagd".

Foto: Reuters/Ammar Awad

Monatelang stapelten sich die Akten auf dem Schreibtisch von Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit. Monatelang wurde spekuliert, wie er wohl entscheiden würde. Wenige Wochen vor den Parlamentswahlen in Israel steht nun fest: Er will gegen Regierungschef Benjamin Netanjahu in drei Fällen Anklage erheben. Mandelblit, einst von Netanjahu zum Kabinettssekretär ernannt, informierte die Anwälte des Premiers am Donnerstagabend über seine Pläne. Zuvor muss Netanjahu allerdings noch angehört werden – und bis es so weit ist, könnten Monate vergehen. Dennoch: Der Schritt wäre in der Geschichte Israels einzigartig. Noch nie wurde ein amtierender Premier angeklagt.

Netanjahu wies die Vorwürfe zurück. Es handele sich um eine politisch motivierte Hexenjagd, sagte er bei einer Ansprache im Fernsehen. "Die Anschuldigungen sind haltlos. Das Kartenhaus wird zusammenbrechen."

Im sogenannten "Fall 4000" will Mandelblit wegen Bestechlichkeit, Betrug und Untreue klagen: Netanjahu soll dem Telekommunikationsunternehmen Bezeq rechtliche Vorteile verschafft haben. Im Gegenzug soll Eigentümer Shaul Elovitch für positive Berichterstattung über die Netanjahus auf seinem Online-Nachrichtendienst Walla gesorgt haben. Auch Elovitch und seine Ehefrau sollen angeklagt werden.

In den anderen beiden Fällen geht es um Betrug und Untreue: Im "Fall 1000" wird Netanjahu vorgeworfen, Geschenke wie Champagner und Zigarren von Gönnern angenommen zu haben. Im "Fall 2000" soll Netanjahu mit dem Herausgeber von "Yediot Achronot", Arnon Moses, verhandelt haben: Wenn das Blatt freundlicher berichte, wolle der Premier ihnen den größten Konkurrenten, das Gratisblatt "Israel Hayom", vom Leibe halten. Mandelblit plant, auch Moses anzuklagen.

800 Seiten, drei Kronzeugen

Drei Jahre dauerte die Untersuchung, 800 Seiten Material haben die Ermittler zusammengetragen und 140 Zeugen befragt – drei von ihnen wurden zu Kronzeugen. Netanjahu selbst streitet jegliches Fehlverhalten ab und will nicht zurücktreten. Wie so oft trat er stattdessen vor die Kameras, sprach von "abscheulichen Vorwürfen" und einer "Hexenjagd" und gab seinen politischen Gegnern die Schuld: "Der Druck der Linken war erfolgreich. Etwas Furchtbares ist hier passiert, und es verletzt die israelische Demokratie." Es gehe nur darum, den Linken an die Macht zu verhelfen.

Für Netanjahu geht es nun ums politische Überleben: Schließlich hat seine Likud-Partei mit dem neuen Bündnis Blauweiß bereits vor Mandelblits Ankündigung einen gefährlichen Gegner erhalten: Die Allianz, gegründet von Ex-General Benny Gantz und Jair Lapid, könnte laut Umfragen sogar stärkste Kraft werden.

Gantz fordert Netanjahus Rücktritt

Gantz forderte Netanjahu zum Rücktritt auf. Das Land könne keinen Halbzeit-Premierminister brauchen, der mit seiner rechtlichen Verteidigung beschäftigt ist. "Sie haben beschlossen, ihre eigenen Vorteile über die des Landes zu stellen. Das ist eine schlechte Entscheidung." Eine Koalition mit Netanjahu werde er nicht eingehen. Rückendeckung bekam der Premier hingegen von zahlreichen Koalitionspartnern.

Aus Angst, Mandelblits Ankündigung vor den Wahlen könnte den Premier Stimmen kosten, hatten Netanjahus Anwälte bereits im Vorfeld versucht, den Termin zu verschieben. Mandelblit hatte das abgelehnt und erklärt, die Öffentlichkeit habe das Recht, über wichtige Entscheidungen Bescheid zu wissen.

In letzter Sekunde reichte auch Netanjahus Likud-Partei eine Petition beim Obersten Gerichtshof ein, um die Ankündigung zu verhindern – scheiterte aber. (Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, 28.2.2019)