Wohnen im Tiny House auf einem Parkplatz: in Berlin möglich.

Foto: SA Tiny Foundation

Zwei Tage und zwei Nächte auf 6,4 Quadratmetern wohnen: Das probierten 13 Studierende im Berliner Studentendorf Schlachtensee im Februar aus. Auf einem Parkplatz wurde ein sogenanntes Tiny House aus Holz abgestellt. Den Testern standen darin eine Küche, ein Bad und eine Wohnzimmernische zur Verfügung. Abends gelangten sie über eine Leiter in ihr Hochbett.

Tester für die Wohnform fanden sich genug: Per Los wurde entschieden, wer temporär einziehen darf. Nun werden ihre Erfahrungen in einem Workshop ausgewertet. Das in den 1950er-Jahren von den Amerikanern gegründete Studentendorf kehre damit an seine Wurzeln zurück, heißt es auf der Webseite des Studentendorfs. Es werde "einmal mehr ein Labor für experimentelle Wohnkonzepte".

Bewährt sich das Projekt, könnte gleich eine ganze Anlage mit solchen kleinen Wohneinheiten entstehen. "Co-Being-House" nennt der Architekt Van Bo Le-Mentzel seine Idee. Sein Ziel: Menschen sollen um 100 Euro Miete pro Monat auf durchdachtem Raum wohnen können. Angesichts explodierender Mietpreise in deutschen Metropolen erscheint die Reduktion der Wohnfläche als konsequente Lösung.

Keine unnötigen Quadratmeter

Auf der Suche nach einem passenden Grundstück hat Le-Mentzel sein Co-Being-House schon vor einem Jahr bei einer Veranstaltung in Wien vorgestellt. Seine Maxime: Jeder unnötige Quadratmeter wird eingespart, sogar auf Hausgänge wird verzichtet. Dafür gibt es Gemeinschaftsbereiche und durchdachte Grundrisse. Werden den Bewohnern die 6,4 Quadratmeter großen Einheiten irgendwann doch zu eng, dann lassen sich zwei oder drei davon leicht zusammenlegen.

"In Deutschland und Österreich müssen wir lernen, neue Formen des Wohnens möglich zu machen", sagte Le-Mentzel zum STANDARD. Er meint damit auch temporäre Wohnformen auf dem Wasser oder auf Parkplätzen. Wer aber Platz vom öffentlichen Raum abzwacke, müsse der Allgemeinheit dafür etwas zurückgeben, betont Le-Mentzel. Etwa indem im Erdgeschoß ein Book-Sharing oder ein "Kiez-Treff" eingerichtet wird. "Damit kann man tote Gegenden wiederbeleben", ist der Architekt überzeugt und schlussfolgert daraus: "Das ist ein Sauberes-Karma-Deal."

Außerdem sei mehr Kreativität bei den Planern gefragt: "Man muss die Standards neu erfinden." In Le-Mentzels Entwürfen müssen Fenster daher nicht unbedingt ins Freie führen – auch den Ausblick auf den Gang findet der Architekt okay. Statt auf Stiegen kraxeln Bewohner bei ihm eben auf Leitern in die Höhe. Das spart Platz – und damit Geld. Was den Räumen in der Vertikale abgezwackt wird, bekommen sie in der Horizontalen dazu: Le-Mentzel fordert Raumhöhen von 3,50 Metern, damit sich über dem Wohnbereich auch noch ein Hochbett ausgeht.

Entscheidung im März

Die Rückmeldungen der Studierenden in Berlin seien positiv gewesen, berichtet Architekt Le-Mentzel. Der fehlende Platz sei beim Feedback kein Thema gewesen: "Es gab nur die Beschwerde, dass die Bewohner am derzeitigen Standort so exponiert sind."

Kritik an der Wohnform Tiny House gibt es aber von anderer Seite genug. Viele befürchten, dass durch schrumpfenden Wohnraum die Wohnqualität in den Städten auf der Strecke bleibt. Und dass die Kleinstwohnungen in Städten wie New York und Hongkong längst zum begehrten Anlegerprodukt für Investoren mutiert sind, die die Wohnung dann selbst gar nicht bewohnen, sondern teuer weitervermieten, sorgt ebenfalls für Unbehagen. Es überrascht nicht, dass die Vision von Le-Mentzel bereits die Aufmerksamkeit von Investoren erregt.

"Ich geh da voll mit", sagt Le-Mentzel zu den Kritikpunkten. "Dass ich als Architekt mir Gedanken über die Zukunft Deutschlands machen muss, ist eigentlich ein Armutszeugnis." (Franziska Zoidl, 2.3.2019)