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Die aggressiven Steuersparmodelle von Apple und Co bedeuten auch eine Wettbewerbsverzerrung, sagt die EU-Kommission immer wieder.

Reuters

Für die Globalisierungskritiker von Attac ist der Internationale Währungsfonds (IWF) der perfekte Reibebaum. Ob es nun um die richtige Politik für Griechenland, Handel oder um Reformen in der Eurozone geht, Attac und IWF sind seit Jahren stets entgegengesetzter Meinung.

Umso bemerkenswerter ist nun, wie sehr die Globalisierungskritiker den Währungsfonds plötzlich loben: Der IWF sei gerade dabei eine dringend notwendige "Revolution bei der Konzernbesteuerung" einzuleiten, teilte Attac Österreich diese Woche mit, die Bedeutung dessen, könne "gar nicht hoch genug" eingeschätzt werden.

In der Tat hat die wichtigste Finanzorganisation der Welt zu Wochenbeginn ein steuerpolitisches Beben ausgelöst: Experten des IWF haben erstmals in einer Analyse öffentlich dargelegt, dass sie das globale Steuersystem in seiner aktuellen Form für kaputt halten. IWF-Chefin Christine Lagarde rief parallel dazu in der Financial Times zu einer umfassenden Reform auf.

Die Gewinne von Facebook

Auslöser dafür sind Facebook, Google, Amazon und Co. Medienberichte, Enthüllungen aus diversen Leaks (Panama Papers, Paradise Papers) und die Untersuchungen der EU-Kommission haben gezeigt, wie wenig Steuern einige multinational tätige Digitalkonzerne zahlen. So stellte sich 2016 heraus, dass Apple in Irland in manchen Jahren auf seinen Gewinn einen Steuersatz von gerade einmal 0,005 Prozent bezahlte. Google verschiebt jedes Jahr Milliardensummen auf die Bermudas, wo Unternehmen keine Steuern zahlen. Allein 2017 sollen es 20 Milliarden Euro gewesen sein.

Als Folge davon ist eine internationale Debatte darüber losgebrochen, wie dieser Entwicklung beizukommen ist. Inzwischen zeichnet sich innerhalb der Industriestaatenorganisation OECD, wo hauptsächlich verhandelt wird, ein Konsens ab. Dieser lautet: Am sinnvollsten wäre es, das gesamte Steuersystem umzukrempeln.

Sich nur auf die Digitalunternehmen zu konzentrieren, wäre ein Fehler. Denn die Schwierigkeiten beim Umgang mit Facebook, Apple und Co sind demnach nur Teil eines viel größeren Problems. Die OECD hat diese Position Ende Jänner in einem Bericht festgehalten. Nun hat sich der IWF dieser Ansicht angeschlossen.

Ein 100 Jahre altes System

Stein des Anstosses ist, dass das Steuerrecht auf Regeln aufbaut, die 100 Jahre und älter sind. International gilt, dass Unternehmen dort besteuert werden, wo sie Waren herstellen oder wo die Geschäftsleitung sitzt.

Als die Wirtschaft noch von großen Industriebetrieben dominiert war, die lokal Stahl verarbeiteten oder Automobile herstellten, war das praktikabel. Heute ist für einen wachsenden Teil der Konzerne keine physische Präsenz notwendig: Google kann seine Werbung problemlos via Irland in Europa verkaufen.

Hinzu kommt, dass im bestehenden System im Hintergrund mit komplexen Methoden errechnet wird, wie viel Gewinn einem Unternehmen mit Sitz in Land X zugerechnet werden kann. Konzerne verlagern Markenrechte, Patente oder Nutzungsrechte für Verfahren deshalb in Niedrigsteuerländer. Google zum Beispiel hat viele Patente auf den Bermudas registrieren lassen. Google Gesellschaften zahlen dann aus Hochsteuerländern Lizenzgebühren für die Nutzung dieser Rechte an Google auf den Bermudas.

Diese legalen Modelle funktionieren bei Unternehmen außerhalb der IT-Sphäre genauso. Die Paradise Papers haben 2017 gezeigt, wie Nike legal Steuern optimiert. Händler in Europa erwerben die Nike-Schuhe von niederländischen Gesellschaften, ehe sie an Kunden weiterverkaufen. Ein Großteil der Nike-Gewinne landet damit in den Niederlanden. Von dort aus zahlt Nike Lizenzen für Markenrechte an eine Nike-Gesellschaft auf den Bermudas.

Mehrere Modelle

Inzwischen liegen mehrere Modelle am Tisch, um diese aggressiven Steuersparstrategien einzugrenzen. Eine Idee lautet, dass Unternehmen künftig dort ihre Gewinne versteuern sollen, wo die Konsumenten von Waren und Dienstleistungen sitzen. Nicht wo Autos gebaut werden, sondern wo sie verkauft werden, würden also Steuern anfallen. Ein anderer Plan ist, Unternehmensgewinne global nach bestimmten Kriterien auf Staaten aufzuteilen.

"Eine solche Aufteilung zu erreichen ist aber wenig realistisch", sagt Johannes Becker, Ökonom an der Universität Münster. Die EU-Kommission schlägt ein solches System für die EU vor. Bisher scheiterte der Plan am Widerstand zahlreicher Länder. Die dritte Option lautet, globale Mindeststeuersätze einzuführen.

Nur wenn ein Unternehmen so aggressiv Steuern spart, dass es fast nirgends etwas bezahlt, könnten andere Staaten auf die Gewinne dieses Unternehmens zugreifen. Dieses Modell bevorzugen Deutschland und Frankreich. Weder der IWF noch die OECD haben sich bisher auf ein System festgelegt. Diese Woche finden wieder Verhandlungen statt. (András Szigetvari, 14.3.2019)