Wien/Washington/Berlin – Die globale Konjunktur hat nach den Worten von IWF-Chefin Christine Lagarde seit Jahresbeginn weiter an Schwung verloren. "Tatsächlich befindet sich die Weltwirtschaft an einem heiklen Punkt", sagte die Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Dienstag in Washington. "Das globale Wachstum hat sich verlangsamt, vor allem aufgrund der zunehmenden Handelsspannungen." Mit dieser Vorankündigung dürfen Beobachter nun rätseln, wie stark die Revision des IWF-Ausblicks kommende Woche sein wird. Bislang sagt der Fonds für das laufende Jahr noch einen Anstieg des globalen Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 3,5 Prozent voraus.

"Um es klar zu sagen: Wir erwarten kurzfristig keine Rezession", betonte Lagarde zugleich. "Wir rechnen sogar mit einer gewissen Belebung des Wachstums in der zweiten Jahreshälfte 2019 und bis 2020." Allerdings sei dieses Szenario Abwärtsrisiken ausgesetzt. Zu ihnen gehörten der Brexit, die hohe Verschuldung in einigen Sektoren und Ländern, Spannungen in der Handelspolitik und Unruhe auf den Finanzmärkten.

Lagarde fordert deshalb eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Ländern. Die Erfahrungen aus 180 Ländern in den vergangenen Jahrzehnten zeigten, dass eine engere Handelsanbindung Investitionen deutlich erhöhe. Umgekehrt würden Handelshemmnisse eindeutig Investitionen und der Beschäftigung schaden.

Konkrete Zahlen für die Eurozone haben indessen mehrere Wirtschaftsinstitute vorgelegt. Das deutsche Ifo-Institut schätzt das Wirtschaftswachstum in der Eurozone für das erste Quartal in einer gemeinsamen Prognose mit den Instituten KOF aus Zürich und Istat aus Rom auf lediglich 0,2 Prozent. Wiederum lautet der Tenor, dass Risiken für die Vorhersage in einer Ausweitung der Handelskonflikte, in einem harten Brexit und im allgemeinen Nachlassen der Weltkonjunktur bestehen.

Prekäre Wechselwirkung

Das Muster wiederholt sich seit einigen Monaten: Kurzfristig werden Prognosen nach unten revidiert, mittel- bis langfristig bleibt alles ziemlich gleich. Das ist weniger dem Optimismus geschuldet, als der schwierigen Einstufung der politischen Risiken. Entweder löst sich alles in Wohlgefallen auf, oder es wird schlimmer – der Mittelwert landet in den Prognosen, so scheint es.

Vor allem der schwelende Handelsstreit zwischen den USA und China sowie mit Europa steht in einer Wechselwirkung mit den Konjunkturdaten. US-Präsident Donald Trump hat im Vorjahr Zölle auf Stahl- und Aluminium sowie auf einen großen Teil der mit China gehandelten Güter eingeführt. Für Europa besonders bedrohlich sind im Raum stehende Zölle auf Autos.

Trump will mit seiner Zollpolitik die negative US-Außenhandelsbilanz bei Waren wieder ins Lot bringen. Trotz dieser Absicht, ist das Defizit im Vorjahr weiter gestiegen, erst im Jänner schloss sich die Lücke ein wenig. Das lag mitunter an Zukäufen von US-Soja aus China. Ein positives Signal, damit Washington vor einer weiteren Zollerhöhung absieht. Zuvor hatte Peking wiederum hohe Zölle auf US-Soja eingeführt und damit die amerikanischen Bauern sowie die Exportbilanz getroffen.

Auch die US-Industrie gilt für Trump als wichtiger Gradmesser. Am Dienstag meldete das US-Handelsministerium einen Auftragseinbruch in der Industrie. Im Februar waren die Bestellungen für langlebige Güter um 1,6 Prozent zurückgegangen. Das könnte wiederum eine schärferer Gangart Washingtons in der Handelspolitik verstärken.

Das nehmen Manager vorweg, wenn sie Aufträge vergeben oder Investitionen planen. So beißt sich die Katze in den Schwanz, und die Prognosen sind mit "Abwärtsrisiken" gespickt. Die politischen Risiken verstärken somit einen "natürlichen" Abschwung im globalen Konjunkturzyklus. (slp, APA, reuters, 2.4.2019)