Lemawork Ketema hat noch viel vor.

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Lemawork Ketema hat Visionen und braucht dennoch keinen Arzt. Aber als Spitzensportler braucht der 33-Jährige Ziele, es dürfen auch unrealistische dabei sein. Lemawork Ketema will am 9. August 2020 nach dem Marathon zum Abschluss der Olympischen Spiele in Tokio die Fahne seines Landes gehisst sehen – als Zeichen des Medaillengewinns.

Spätestens seit dem 15. Dezember 2015, als der Ministerrat Ketemas Einbürgerung abgesegnet hatte, handelt es sich um Österreichs Rot-Weiß-Rot und nicht mehr um das Grün-Gelb-Rot Äthiopiens. Am Sonntag ist zudem das Ziel ein gutes Stück nähergerückt. Da unterbot Ketema bei seinem ersten Vienna City Marathon als Wiener nicht nur den seit 2009 bestehenden nationalen Rekord über die 42,195 Kilometer in 2:10:44 Stunden um drei Sekunden, sondern erbrachte auch das Olympialimit. Dass es im Wien-Klassement mit dieser Zeit nur zu Rang elf reichte, illustriert, wie hoch gesteckt Ketemas Medaillenziel ist.

Dass Unmögliches mitunter möglich wird, weiß Ketema. Aufgewachsen ist "grüne Arbeit", wie sein Vorname Lemawork aus dem Amharischen zu übersetzen wäre, als eines von sechs Kindern eines Bauern aus der Umgebung Hurutas, einer auf rund 2000 Meter Seehöhe liegenden Stadt im Zentrum Äthiopiens. Das Laufen war ihm damit quasi in die Wiege gelegt, durchsetzen konnte er sich zu Hause allerdings nicht ganz. Nach dem Salzburger Marathon 2013 beantragte er Bleiberecht – wegen politischer Verfolgung.

Ketema lebte in Asylheimen in Greifenstein und Wien und im Übrigen von seinen Einkünften als Läufer. Schicksalhaft war sein Treffen mit Harald Fritz (52), einem Trainer vieler ambitionierter Hobbyläufer, der ihm zu einer Art Vaterfigur wurde. Fritz und dessen Freund Walter Klinger, ein pensionierter Schauspieler, sorgten für ein Budget. Im Vorjahr führte Ketema Österreichs Dreierteam zu sensationeller Marathon-EM-Bronze in Berlin, auch Sportminister Heinz-Christian Strache gratulierte da.

Finanziell blieb die Lage zunächst prekär, sie verbesserte sich aber wie Ketemas Zeiten. Mittlerweile sind Trainingsaufenthalte in St. Moritz und Kenia möglich. Fritz glaubt, dass für seinen Schützling zeitlich noch viel drin ist. "Das ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange, da geht noch was, 2:07 sag ich, haltet euch an", sagte er nach dem Rekord des laufenden Visionärs. (Sigi Lützow, 7.4.2019)