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Es ist wahrscheinlich die am häufigsten geforderte Maßnahme gegen die Erhitzung der Erde: eine Steuer auf CO2, also den Stoff, der sie maßgeblich vorantreibt. Die Klimakrise ist eine der größten Herausforderungen, vor denen die Menschheit je stand. Uns erwarten Dürren, Stürme und Hitzetote, geopolitische Konflikte – und aus jetzt schon extrem heißen, ärmeren Ländern zig Millionen Klimaflüchtlinge. Ist die CO2-Steuer wirklich unsere Rettung davor?

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Die Welt steuert auf drei, vier Grad Erwärmung zu.
Foto: Reuters / Peter Andrews

Die Idee hinter der Steuer ist simpel. Wer CO2 ausstößt, etwa weil der Strom im Büro aus Kohle stammt, die Fabrik mit Gas heizt oder man einen Benziner fährt, schadet der Allgemeinheit. Sofort, weil die Luft verschmutzt wird, und mit der Zeit, weil die Erde heißer und das Wetter extremer wird. Die Antwort von Ökonomen: Rechnen wir die Kosten aus, die das verursacht, und besteuern wir CO2 in selber Höhe.

Für die Höhe gibt es verschiedene Berechnungen, die von mindestens 35 Euro (Stiglitz-Bericht) über 60 Euro (IWF), mindestens 50 bis 100 Euro (Gernot Wagner) bis 180 Euro pro Tonne CO2 reichen (Umweltbundesamt).

Schauen wir uns das an einem Beispiel an: einem Liter Benzin. Ein CO2-Preis von 100 Euro würde ihn um etwa 25 Cent teurer machen. Das ist nicht nichts, Schwankungen in dieser Höhe haben aber schon in der Vergangenheit nicht dazu geführt, dass Menschen ihre Autos massenweise in den Garagen gelassen hätten. Dazu kommt: Auf einen Liter Benzin sind jetzt schon 48,2 Cent Mineralölsteuer fällig – im Prinzip eine CO2-Steuer von fast 200 Euro.

Sprit ist in Europa höher besteuert.
Foto: APA/dpa-Zentralbild/Jan Woitas

Jetzt weiß man aus Studien, dass Steuern sehr wohl das Verhalten ändern. Eine Arbeit geht etwa davon aus, dass Steuern auf Treibstoffe die CO2-Emissionen in Europa um 50 Prozent gesenkt haben. Weil die Menschen mehr fahren würden, wenn Benzin und Diesel billiger wären – und die Hersteller Anreize für den Bau effizienterer Autos hatten.

Genau das soll die CO2-Steuer für die gesamte Wirtschaft erreichen: das Verhalten ändern, Anreize für Innovationen für Firmen schaffen und umweltfreundlichere Alternativen, etwa Elektroautos, im Wettbewerb stärken. Der Verkehr, in dem der Ausstoß von CO2 schon hoch besteuert ist, zeigt aber die Grenzen des Ganzen auf: Die Emissionen sind in Österreich seit 1990 um 74 Prozent gestiegen.

Saubere Technologien soll die CO2-Steuer bevorzugen.
Foto: APA/ZB/Hendrik Schmidt

Das ist auch der Grund, warum kein Klimaforscher CO2-Steuern für eine Wunderwaffe hält. Gegen Zersiedelung und schlechte öffentliche Infrastruktur sind auch sie machtlos. Viele finden sie trotzdem sinnvoll. Warum?

Erstens haben viele Länder der Welt noch keine hohen Abgaben auf Energie wie in Teilen Europas. Hier wären CO2-Steuern ein wichtiger Schritt. Zweitens würden sie auch in Österreich einen zusätzlichen Beitrag leisten. Heizöl und Erdgas sind etwa relativ niedrig besteuert. Drittens ist es allein wirtschaftlich sinnvoll: Senkt man die Lohnsteuern im gleichen Ausmaß, steigt laut Wifo sogar das Wachstum.

Wer aller schon eine CO2-Steuer hat.
Screenshot: Weltbank

Immer mehr führen deshalb CO2-Steuern ein: 46 Länder haben bereits eine, in Europa etwa die Skandinavier, Briten und Franzosen, global sind 20 Prozent der Treibhausgase mit einem Preis versehen. In Skandinavien hatten sie den gewünschten Effekt: Die Emissionen sanken. Schweden hat mit über 110 Euro den höchsten Preis der Welt und dürfte seine Paris-Ziele nach derzeitigem Stand trotzdem nicht schaffen. Halten sich alle Länder an ihre Versprechen vom Klimaabkommen in Paris steuert die Erde zudem auf etwa drei Grad Erwärmung zu.

CO2-Steuern haben noch ein Problem: Heizen und Tanken teurer zu machen hat bei Reden im Wahlkampf selten für Jubelstürme gesorgt. Das bekam Frankreichs Präsident Emmanuel Macron jüngst schmerzhaft zu spüren: Benzin ist in Frankreich wegen der CO2-Steuer um drei Cent teurer geworden, was die Gelbwesten-Proteste auslöste.

Um die Akzeptanz zu erhöhen, fordert eine Reihe an Ökonomen, die Steuer als Ökobonus wieder an die Haushalte auszuzahlen. "Studien zeigen, dass die Akzeptanz der Steuer davon abhängt, was mit dem Geld passiert", sagt Claudia Kettner-Marx vom Wifo. Man könnte damit auch Lohnsteuern senken oder Förderungen für Unternehmen finanzieren. "Dass das Geld ins allgemeine Budget wandert, wird nicht gerne gesehen."

Die Voest ist vom EU-Emissionshandel abgedeckt.
Foto: APA/ZB/Hendrik Schmidt

Kettner-Marx schätzt, dass eine zusätzliche CO2-Steuer von 60 Euro die Emissionen in Österreich um drei Prozent senken würde. Würde man alle bisherigen Steuern auf Energie abschaffen, um das System zu vereinfachen, und sie mit einer CO2-Steuer von 315 Euro ersetzen – die dann die mit Abstand höchste der Welt wäre – sänken die Emissionen um zehn Prozent (auch zu wenig für das Einhalten der Paris-Versprechen).

Die meisten großen Unternehmen wie die Voest oder die OMV wären von einer nationalen CO2-Steuer aber erst gar nicht betroffen, denn sie fallen in den Emissionshandel der EU. Der wirkt wie eine Steuer, funktioniert aber anders, über Papiere, die Industrie, Stromerzeuger und Airlines für CO2, das sie ausstoßen, kaufen müssen.

Die EU war damit international ein Vorreiter, das System gibt es seit 2005. Viele Zertifikate wurden aber verschenkt und der Preis betrug lange nur fünf Euro und hatte daher kaum einen Effekt. Zuletzt ist er aber auf 27 Euro pro Tonne CO2 gestiegen. Klima-Ökonom Stefan Schleicher ist trotzdem kritisch.

"Dem Mechanismus wurde jeder Zahn gezogen", sagt er. Die Idee war, dass es irgendwann zu wenig Papiere gibt, sodass der Preis stark steigt und es für Firmen teuer wird, klimaschädlich zu produzieren. "Es werden bis 2030 aber mit großer Wahrscheinlichkeit mehr Emissionsrechte ausgegeben, als gebraucht werden", sagt Schleicher.

Nobelpreisträger Bill Nordhaus: Will Klimaklubs.
Foto: APA/AFP/TT NEWS AGENCY/CHRISTINE

Manche Klimaforscher fordern einen Mindestpreis in der EU, damit das System besser greift. Aber selbst wenn die EU voranschreitet müssen andere, vor allem die USA, China und Indien, mit ins Boot. Damit das klappt und das Pariser Klimaabkommen nicht wie das von Kyoto einen leisten Tot stirbt, schlägt der Nobelpreisträger Bill Nordhaus einen Klimaklub vor.

Er soll aus einer Koalition der Willigen bestehen, die sich auf einen Mindestpreis von 25 Dollar für eine Tonne CO2 einigt. Alle Importe für Nicht-Teilnehmer werden pauschal mit zwei Prozent Zoll belegt. Dann hätten fast alle Länder den Anreiz, mitzumachen. Noch ist das aber Utopie und ob mit internationalen Handelsregeln vereinbar, unklar. In einer Welt, die ernsthaft gegen die Klimakrise kämpft, werden in der Zukunft aber möglichst viele Länder eine möglichst hohe Steuer auf CO2 haben.

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Ein Braunkohlekraftwerk in Neurath in Deutschland.
Foto: Reuters / WOLFGANG RATTAY

Alleine wäre das nicht genug, es bräuchte viel mehr, bessere Städteplanung und Infrastruktur, Förderungen und Forschung. In Österreich sind Neos, Liste Jetzt und die Grünen für eine nationale CO2-Steuer, die größte Oppositionspartei, die SPÖ, hat dazu noch keine Position, die Regierung die Steuer vor kurzem ausgeschlossen. Die Reduktion der Emissionen um 50 Prozent bis 2030 gerät derweil in weite Ferne. Forscher rechnen erst nach einem drastischen Ereignis mit einem Umdenken.

Der Ökonom Stefan Schleicher meint, dass vielleicht nach größeren Ernteausfällen für Bauern, "die bald passieren könnten", gehandelt werde. Harvard-Forscher Gernot Wagner schreibt, dass eine Katastrophe die Politik zum Handeln zwingen könnte. Etwa der plötzliche Tod des Großteils der Eisbären der Welt. (Andreas Sator, 5.5.2019)

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