Polen

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Die Polen mögen die EU.
Foto: Reuters/Agencija Gazeta

Polens nationalpopulistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) lässt meist kein gutes Haar an der EU. Dennoch: 91 Prozent der Bürger, so zeigt die neueste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CBOS, befürworten die Mitgliedschaft in der Union. Das Land ist der größte EU-Nettoempfänger, ein erheblicher Teil der Zuschüsse landete in den Taschen der polnischen Bauern. Vor 15 Jahren hätten diese den EU-Beitritt am liebsten verhindert, so groß war ihre Angst vor der Konkurrenz aus dem Westen. Heute sind auch sie zum größten Teil überzeugte EU-Bürger.

Obwohl seit Regierungsantritt der PiS Ende 2015 immer mehr Vertragsverletzungsverfahren und sogar ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags gegen Polen laufen, werden die Bürger bei den Europawahlen Ende Mai wohl wieder der PiS die meisten Stimmen geben. Das hat auch mit den üppigen Wahl geschenken zu tun, die die PiS aus der Staatskasse verteilt. So kommt es, dass ein EU -begeistertes Volk auch diesmal mehrheitlich eine EU-kritische Partei wählen dürfte. (gl)


Tschechien

Der tschechische Premier Andrej Babiš.

Vier Nachbarländer hat Tschechien, und allesamt sind sie Mitglieder der EU: Österreich, Deutschland, die Slowakei und Polen. Ganz ohne Außengrenzen, dafür aber mit parteipolitischen Traditionen, die zum Teil bis in die Habsburgermonarchie zurückreichen, könnte Tschechien eigentlich als nahezu selbstverständliches EU-Mitglied gelten. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, ist genau das nicht der Fall: Laut der jüngsten Eurobarometer-Umfrage hat das Land – nach Großbritannien – mit 24 Prozent den zweithöchsten Anteil an Austrittsbefürwortern.

Erst elf Jahre vor ihrem EU-Beitritt hatten Tschechen und Slowaken ihren gemeinsamen Staat aufgelöst. Im Zusammenhang mit der EU-Mitgliedschaft steht Premier Andrej Babiš, der selbst aus der Slowakei stammt, im Fokus der Behörden: Der Milliardär soll EU-Fördergelder widerrechtlich für ein Wellnessressort abgezweigt haben, das zu seinem Firmenimperium gehört. Erst im April hat die tschechische Polizei der Staatsanwaltschaft empfohlen, formell Anklage gegen Babiš zu erheben. (schub)


Slowakei

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Trauer nach der Ermordung des jungen Journalisten Ján Kuciak und dessen Verlobter.
Foto: Reuters/Cerry

Von allen Referenden vor der EU-Erweiterung 2004 gab es in der Slowakei die höchste Zustimmung: Mehr als 93 Prozent stimmten mit Ja. Das Ergebnis ist allerdings mit Vorsicht zu genießen: Mindestens 50 Prozent der Wahlberechtigten mussten laut Verfassung zu den Urnen kommen, damit die Abstimmung überhaupt gültig war. Die Sorge der Parteien, die eine EU-Mitgliedschaft mehrheitlich unterstützten, galt daher eher einer ausreichend hohen Beteiligung. Mit 52 Prozent wurde diese schließlich knapp, aber doch erreicht.

Ähnlich ambivalent war die Entwicklung danach. 2006 etwa wurde die Mitgliedschaft von Smer-SD, der Partei von Langzeitpremier Robert Fico, in der sozialdemokratischen Fraktion des EU-Parlaments vorübergehend suspendiert. Der Grund: Fico hatte die Nationalisten in die Regierung geholt. 2009 trat das Land – ebenfalls unter Fico – der Eurozone bei. Im Februar 2018 löste die Ermordung des jungen Journalisten Ján Kuciak Schockwellen aus. Eine breite Bürgerbewegung forderte Aufklärung – und erzwang den Rücktritt Ficos und seines Innenministers. (schub)


Ungarn

Rechtspopulisten Viktor Orbán

Unter dem seit 2010 regierenden Rechtspopulisten Viktor Orbán hätte Ungarn heute keine Chance auf einen EU-Beitritt: Orbán hat die Demokratie abgebaut und Medien großteils seiner Kon trolle unterworfen. Mit zum Teil antisemitischen Hetzkampagnen lässt er gegen die "Brüsseler Eliten" wettern. Die Bevölkerung weiß die EU-Mitgliedschaft jedoch zu schätzen: 80 Prozent denken laut Umfragen, dass sie dem Land genützt oder eher genützt hat. Allein von 2004 bis 2016 erhielt Ungarn netto 37 Milliarden Euro an Transferzahlungen – pro Jahr drei bis vier Prozent des BIP.

Heute ist Ungarn in die europäischen Wirtschaftskreisläufe integriert. Vor allem die deutsche Kfz-Industrie unterhält dort große Produktionsstand orte. Manche warnen vor einer "Monokultur", einer Abhängigkeit von einer nicht unbedingt zukunftsträchtigen Branche.

Die Jahre um den EU-Beitritt brachten Ungarn beträchtlichen gesellschaftspolitischen Fortschritt. Diese Modernisierung wird von Orbán sukzessive zugunsten eines völkisch-traditionalistischen "Backlash" zurückgeschraubt. (gma)


Slowenien

Streitpunkt Bucht von Piran.
Foto: AFP

Das schöne, saubere Slowenien, eine ehemalige Teilrepublik des in den 1990ern teils blutig zerfallenen Jugoslawiens, wird immer wieder seinem Image als "Musterschüler" gerecht, selbst wenn es in tiefe Krisen stürzt. So hat es in den Jahren der Finanzkrise ab 2008 mittels Sparpolitik verhindert, dass es unter den Rettungsschirm musste.

Slowenien hatte bereits Anfang 2007 als erstes der neuen Mitgliedsländer den Euro als Zahlungsmittel eingeführt und damit einen weiteren Schritt der europäischen Integration gewagt. Dennoch stehen EU-Themen bei der bevorstehenden Wahl zum Europäischen Parlament auch diesmal nicht im Vordergrund.

Sehr wohl im Fokus ist aber weiterhin der Grenzkonflikt mit dem Nachbarn Kroatien, der das internationale Schiedsurteil zur Bucht von Piran nicht umsetzen will. Zudem kam erst kürzlich heraus, dass der kroatische Geheimdienst einen slowenischen Richter abhören ließ. Ljubljana klagt in diesem Streit zwischen zwei EU-Mitgliedern immer wieder über mangelnde Unterstützung aus Brüssel. (awö, schub)


Estland

Estlands Premierminister Juri Ratas.
Foto: Imago

Die Esten schätzen die Mitgliedschaft in der Europäischen Union: 76 Prozent erklärten Ende letzten Jahres bei einer Telefonumfrage, dass der Beitritt gut für das Land gewesen sei – ein Rekordwert für den Baltenstaat. Denn zunächst galten die Esten als Euroskeptiker. Sie seien nicht aus der Sowjetunion ausgetreten, um in die nächste Union einzutreten, hieß es damals oft auf der Straße.

Doch wirtschaftlich ist die EU-Mitgliedschaft für Estland eine Erfolgsgeschichte: Zeit weise war der 1,3-Millionen-Einwohner-Staat Spitzenreiter beim Wachstum innerhalb der EU, auch wenn die Krise 2008/09 das Land hart traf. Das Pro-Kopf-Einkommen ist seit dem Beitritt um rund 80 Prozent gestiegen.

Allerdings haben nicht alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen vom Aufschwung profitiert. Bis heute ist die russischsprachige Minderheit finanziell schlechter gestellt. Tallinn muss sich regelmäßig Kritik aus Brüssel wegen der Benachteiligung von Minderheiten anhören. Das Problem der sogenannten "Nichtbürger" bleibt vorerst ungelöst. (ab)


Lettland

Die Fluggesellschaft AirBaltic hat Riga als Drehkreuz im Baltikum etabliert.

Das größte Problem in Lettland sei es, gutes Personal zu finden, klagt Linards Andersons, Manager einer kleinen Möbelfirma aus Riga. Die Fachleute seien vielfach ausgewandert. Andererseits käme seine Firma ohne die EU nicht über die Runden, der heimische Markt sei viel zu klein.

Tatsächlich ist der EU-Beitritt Segen und Fluch Lettlands zugleich: Die Fluggesellschaft AirBaltic ist einer der erfolgreichsten Nischenanbieter in ihrem Segment und hat Riga als Drehkreuz im Baltikum etabliert. Die Letten genießen die neue Freizügigkeit. Aber gleichzeitig ist innerhalb der vergangenen 15 Jahre die Bevölkerung um 300.000 Personen geschrumpft. Etwa jeder siebte Lette ist auf Arbeitssuche ins EU-Ausland ausgeflogen.

Trotzdem sind die meisten Letten mit dem EU-Beitritt zufrieden. Für die politische Führung war die Mitgliedschaft in EU (und Nato) eine bewusste Entscheidung, um sich von Russland zu emanzipieren. Die Beziehungen sind bis heute gespannt, auch wegen der großen Zahl an russischen "Nichtbürgern" in Lettland. (ab)


Litauen

Park in der litauischen Hauptstadt Vilnius.

Auch im größten der drei baltischen Staaten wird der EU-Beitritt von der Bevölkerung weitgehend positiv gesehen. Schon damals galt der Beitritt als "Rückkehr nach Europa". Dieses Gefühl ist bei den meisten Litauern bis heute geblieben. Auch mit den von der EU beschworenen Werten wie Demokratie und Pressefreiheit identifizieren sich die Balten. Der Euroskeptizismus der Briten und Griechen wird in der Region nicht geteilt, auch wenn die Einwohner durchaus Pro bleme sehen und Zuwanderung und Terrorismus als größte Gefahren bezeichnen.

Litauen selbst hat allerdings eher mit Abwanderungstendenzen zu kämpfen. Bessere Löhne und Karrierechancen haben auch viele Litauer ihr Glück im Westen versuchen lassen. Dabei ist die litauische Wirtschaft seit 2004 auf einem schnellen Wachstumskurs: Um jährlich etwa drei Prozent ist die Wirtschaftsleistung gestiegen, das Pro-Kopf-Einkommen hat sich seither verdoppelt. Bis zu einer Angleichung an den Lebensstandard in den westeuropäischen EU-Ländern wird es allerdings noch viele Jahre dauern. (ab)


Malta

Auch in Malta hatte man einen Mord an einer Journalistin zu beklagen.

Wo du auch hinschaust, überall sind Gauner. Die Lage ist hoffnungslos", hatte Daphne Caruana Galizia am Nachmittag des 16. Oktober 2017 in ihrem letzten Blog-Eintrag geschrieben. 25 Minuten später war die bekannte Investigativjournalistin tot – in Stücke gerissen von einer ferngesteuerten Bombe.

Die 53-Jährige hatte darüber geschrieben, dass im kleinsten EU-Mitgliedsland der Rechtsstaat nicht funktioniert und dass Korruption und Vetternwirtschaft blühen. Die ehemalige Kreuzfahrerinsel hat die Steuervermeidung zu ihrem Geschäftsmodell gemacht: In Malta mit seinen bloß 430.000 Einwohnern haben sich über 70.000 Offshore-Firmen aus der ganzen Welt angesiedelt.

Beim Referendum 2003 hatten nur 53,6 Prozent für den Beitritt gestimmt, danach aber ist das Vertrauen in die Union kontinuierlich gestiegen. Zuletzt hat die Euphorie wieder abgenommen: Malta fühlt sich, wie Italien, in der Migrations frage von den EU-Partnern alleingelassen. Nach wie vor hat aber eine Mehrheit (56 Prozent) Vertrauen in die EU und ihre Institutionen. (straub)


Zypern

Zypern, die geteilte Insel.

Bloß kein zweites Zypern: Der Inselstaat gilt vielen als Grund dafür, dass Länder mit ungelösten Territorialkonflikten künftig nicht mehr in die EU gelassen werden sollten. Weil Nationalismus und Ängste geschürt wurden, stimmten die Zyprer im Süden vor dem EU-Beitritt 2004 gegen den Plan des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan zur Wiedervereinigung der im Jahr 1974 geteilten Insel.

De jure ist die gesamte Insel beigetreten, doch der nördliche Teil wurde nicht in den Staat integriert, sondern steht unter türkischer Kontrolle. Auch deshalb ist Zypern nach wie vor nicht Teil des Schengenraums, aber dennoch in der Eurozone. Eine Lösung für die Wiedervereinigung ist nicht in Sicht.

So wie viele osteuropäische Staaten wurde Zypern hart von der Finanzkrise getroffen. Als einziges EU-Land musste es 2013 sogar Kapitalkontrollen für die Banken einführen, doch nach drei Jahren konnte man den Rettungsschirm wieder verlassen. Zurzeit gehen die Bürger auf die Straße, weil sie gegen ein Asphaltwerk in der Nähe des Stavrovouni-Klosters demonstrieren. (awö) (1.5.2019)