Familie Stockinger: Fassbinder

"Wir sind bestimmt kein Nobelbetrieb. Wir sind Handwerker."

Österreich ist bekannt für Berge, Mozart und in manchen Erdteilen für Sound of Music. Kaum jemand nennt als erste Assoziation: "Fassbau". In der Weinwelt sieht das anders aus. Winzer und Sommeliers wissen: die besten Fässer kommen aus Waidhofen an der Ybbs, produziert von Familie Stockinger.

Daher passiert einem als Österreicher auf Weinreisen, egal wo, meist das: "Ah, you are from Austria? Aus Österreich sind Sie also?" Daraufhin geht es in der Regel zu einem großen Holzfass: "This is my Stockinger", heißt es dann, oft begleitet von einem zärtlichen Streicheln über das Eichenholz, das in der Fassbinderei Stockinger in Waidhofen an der Ybbs zum Fass geformt wurde.

Die Weingüter Krankl in Kalifornien, Cheval Blanc im Bordaux und Giacomo Conterno im Piemont: Sie alle sind Synonyme für guten Geschmack. In ihren Kellern reifen Legenden. Und rund um diese Weine? Da ist das Fass vom Stockinger.

Österreich also, als Herkunft der besten und begehrtesten Fässer des Globus. Im Land selbst zählt das nicht zum Allgemeinwissen. Grund genug, einmal bei Franz Stockinger und seiner Familie vorbeizuschauen. Eigentlich nehmen sie keine Termine mit Journalisten wahr, widmen ihre ihre Zeit nämlich lieber dem Fassbau.

Die Geschichte der Fassbinderei Stockinger geht bis ins Jahr 1687 zurück. In schlechten Zeiten produzierte man sogar Balkone. Heute sind die Fässer von Franz (li.) und Mathias (re.) Stockinger vom Burgund bis Kalifornien heißbegehrt.
Foto: Katharina Gossow

A guads Fassl

Franz Stockinger: "Wir machen guade Fassln. Das zählt. In den Medien haben sie uns einmal als Nobelfassbinderei und unsere Fässer als Rolls-Royce unter den Fässern bezeichnet. Das sind wir nicht. Wir tun unser Bestes und sind ein Handwerksbetrieb. Das hat mit nobel nichts zu tun."

Wer gern ein großes Fass von ihnen möchte, muss lange Wartezeiten, die bis 2020 reichen, in Kauf nehmen. Bei den kleinen, die Barriques genannt werden und 225 Liter fassen, da "geht noch ein bisserl was", heißt es Anfang Februar. Aber auch nur, wenn man gleich Bescheid gibt, erklärt Seniorchef Franz, während sein Sohn Mathias die Produktion ein Stockwerk tiefer leitet. 37 Mitarbeiter zählt das Unternehmen in Waidhofen an der Ybbs, es existiert bereits seit 1687. Rechts vom Gebäude weiden die Kühe, links ist Wald. Manchen Waidhofnern ist gar nicht bewusst, dass in ihrer unmittelbaren Nähe einer der gefragtesten Fassbinder der Welt produziert, seine Ware bis nach Argentinien oder Südafrika verschickt.

Dabei sei der Erfolg Zufall gewesen sei, sagen die Stockingers. Eine Bescheidenheit, wie man sie nur von den ganz Großen kennt. Starallüren haben in ihrem Alltag keinen Platz. Das alles ist keine Zauberei, sondern die Konsequenz aus Erfahrung, Bauchgefühl und dem Miteinander von Kunde und Produzent. Franz Stockinger: "Ich merke an der Person, ob sie eine Freude mit unserem Fass haben wird. Wenn das ein gestresster Kerl ist, dann wird es nicht passen." Ihre Kunden sind Kenner. Viele haben in anderen Weinkellern Stockinger-Fässer gesehen und wissen um deren guten Ruf und die hervorragende Qualität. 50 Prozent der Produktion machen die kleinen Barriques aus, die für unter tausend Euro zu haben sind. Für die großen Fässer gibt es keine Preisangabe, die Pi-mal-Daumen-Rechnung ergibt Werte jenseits der 10.000 Euro.

Fasslpost

Der Großteil der Barriques und Tonneaux mit 225 bis 500 Litern bleibt in Österreich oder geht nach Frankreich. Im Piemont setzt man auf größere Fässer. "Nebbiolo (Anm. die Traube für Barolo aus dem Piemont) braucht das", sagt Franz. Der Nebbiolo darf nicht zu schnell atmen, das muss langsam gehen. Daher werden Fässer mit dickeren Dauben gewünscht, die weniger Sauerstoff durchlassen. Das Holz für diese Fässer wird bis zu zehn Jahre lang gelagert. Es sei wie beim Käse, wenn man ihn zu jung isst, obwohl er noch Zeit braucht, dann schmeckt er aggressiv. Lässt man ihn reifen, wird er rund und schmeckt richtig gut.

Das Eichenholz lagert deshalb erst einmal vor dem Betriebsgelände der Stockingers. Mindestens zwei Jahre für die Barriques und bis zu zehn für Lagerfässer, die größer ausfallen. Den Rohstoff bezieht die Familie aus Österreich, Deutschland, Ungarn und Transsilvanien. "Wenn das Holz lange genug liegt, wird es ruhig." Auch wann man die Eichen schlägert, ist entscheidend. Das sollte bei kalter Witterung und abnehmendem Mond passieren. Der Verschnitt aus den verschiedenen Holzherkünften ist ebenso ein wichtiger Schritt für die Qualität des Endprodukts. All das ist Wissen, wie man es im Hause Stockinger bündelt.

Wenn man sich hier ein Fass leistet, dann hat das Hand und Fuß. "Die Winzer kommen oft von weither, um sich davon zu überzeugen, dass alles so ist, wie sie es sich vorstellen", sagt der Senior. "Wir könnten wahrscheinlich mehr verkaufen, aber es entspricht nicht unserer Philosophie. Nur in der Größe können wir diese Qualität halten und den Kontakt pflegen", ergänzt Sohn Mathias. Und so kommen wahrscheinlich auch Stockinger-Fässer außerhalb Österreichs bei Besuch aus der Heimat weiterhin zu ihren Streicheleinheiten.

Fassbinderei Stockinger Franz und Sohn Mathias Stockinger führen das Unternehmen in Waidhofen an der Ybbs gemeinsam. Ihre Fässer zählen zu den begehrtesten der Welt. Website gibt es keine.

Christoph Graf: Keramiker

"Ich bin nichts ohne Ton, ohne mich werden die Teile aber auch nicht."

Schon in der dritten Zeile auf der Gemeindeseite von Stoob steht zu lesen: "Eine Zunfttruhe beurkundet Stoob als Mittelpunkt des Töpfer- und Hafnergewerbes." Dass die ältesten Ton-Funde sind über tausend Jahre alt sind, bestätigt auch Christoph Graf. Er ist einer der letzten hauptberuflich erwerbstätigen Keramiker des burgenländischen Dorfes.

Seine Familie ist eine Töpferfamilie, der berufliche Weg war für ihn vorgezeichnet. Diesen ging Graf auch gern, er liebt sein Handwerk . Seit dreißig Jahren formt und brennt Christoph Graf Ton. Nicht mehr als ein paar Steinwürfe entfernt von seiner Wirkungsstätte Stoob liegen Horitschon und Neckenmarkt, bekanntlich wichtige Orte hiesigen Weinbaus.

Derzeit erlebt der Weinausbau in der Amphore ein Revival. Somit war es nur eine Frage der Zeit, bis ein Winzer bei dem Keramiker anklopfen würde. 2006 war es so weit: Franz Weninger, Winzer aus Horitschon, war gerade von einer Reise nach Georgien zurückgekehrt. Dort hatte er Amphoren gesehen und wie Wein darin ausgebaut wird.

Der besondere Geschmack dieses Weins überzeugte ihn sofort. Zurück in der Heimat fragte er sich: "Warum Amphoren von Georgien bis nach Österreich karren, wenn doch die Wiege der mitteleuropäischen Töpferkultur zwölf Kilometer entfernt, in Stoob, liegt."

Seit mehr als 30 Jahren arbeitet Christoph Graf mit Ton – in der ehemaligen Keramikhochburg Stoob im Burgenland, wo er auch geboren ist. Sein Repertoire reicht von Greifen, die das Wiener Parlament zieren, bis hin zur Amphore für den Wein.
Foto: Katharina Gossow

Vom Märchen zur Realität

Und so kam es, dass der inzwischen auf Repliken antiker Stücke spezialisierte Keramiker Graf plötzlich an eine Amphore Hand anlegte. "Man formt sie, indem man in etwa zehn Zentimeter hohe Ringe aus Ton aufeinandersetzt, bis die Amphore ihre endgültige Form hat", sagt der Experte. Ob der Ton passt, das zeige die Erfahrung. Graf greift den Ton an und spürt, ob er ruhig ist oder unter Spannung steht. So entscheidet er, ob er ein Stück verarbeitet oder es noch liegen lässt. Die aufeinandergesetzten Ringe, die der findige Beobachter auch im fertigen Werk erkennt, lässt der Experte immer wieder anziehen, sprich antrocknen, damit das Gewicht der oberen die unteren Kreise nicht verformt.

Die Töpferscheibe "Marke Eigenbau" hatte der Keramikermeister schon vorher. Eine normale dreht bis zu 100 Kilogramm, seine stemme bis zu 400. Das ist auch gut so, denn die beiden Amphoren, die Weninger nach dem geglückten Erstversuch im Jahr 2017 nachbestellte, wogen mehr als 200 Kilogramm im Nasszustand. Für einen Meister, der im Jahr bis zu 30 Tonnen des Rohstoffs durch seine Finger gleiten lässt, ist das zwar auch kein Kinderspiel, aber zumindest machbar.

Im Brennofen erhalten die Amphoren eine Hitzekur von 1100 Grad Celsius. Der gesamte Brennvorgang dauert fünf bis sechs Tage. Dann sind die feinporigen Tongefäße bereit, das essenzielle Quäntchen an Luft bis zum Wein durchzulassen. Es ist maßgeblich für die Reifung des Weins. Generell gilt: Je heißer gebrannt wird, desto mehr schließen sich die Poren, und umso weniger Luft gelangt ins Innere.

Brennt man so lange, bis alle Poren geschlossen sind, sprechen Kenner vom Steingut. Das würde für den Wein wenig Sinn ergeben. Denn ein Grund, warum die Winzer zur Amphore greifen, ist die Luft. Auch die Temperatur halten diese überdimensionalen Tonkrüge recht gut. Dazu muss man sie nicht zwingend im Boden eingraben, wie es mancherorts geschieht.

Und der Rohstoff ist Winzern, die so nahe wie möglich an der Natur arbeiten wollen, sympathisch. Ton lebt. Das weiß auch Keramiker Graf: "Das Gespür für die Stimmungen des Tons kommt mit der Zeit. Manchmal steht er unter Spannung, wie man selbst oft halt auch oft."

Christoph Graf mit den beiden Weinamphoren, die er für Winzer Franz Weninger angefertigt hat.
Foto: Katharina Gossow

Christoph Graf ist Keramikermeister in Stoob im Burgenland. Seit 1992 arbeitet er an historischen Repliken, und wenn ihn ein Winzer danach fragt, auch an Amphoren.

Familie Ledinegg: Obst- und Weinbautechniker

"Ein Keller ohne Stahltank ist schwer vorstellbar."

So ein Winzerleben kann durchaus stressig sein. Zum Beispiel zur Lesezeit: Da ist das Wetter, das bitte halten soll, da sind Erntehelfer und Trauben, die gesund sein sollen, und Tanks, die in ausreichender Menge parat stehen sollen.

Da das Leben eben so spielt, läuft es selten wie geplant. Da kommt es schon einmal vor, dass ein Tank zehn Zentimeter zu hoch und zu breit in der Einfahrt steht, weil der Winzer nach der Füllmenge und nicht nach der Höhe entschieden hat. Der passt nicht durch die Kellertür. Keine Chance. "Kein Problem", lautet die Antwort des Weinbautechnikers Helmut Ledinegg .

Er ist seit vielen Jahren der Stahltankflüsterer des Landes und steht Winzern genau in diesen Zeiten mit Nerven und Tanks aus Stahl zur Seite. "Wir haben den Tank zerlegt und im Keller wieder fachgerecht aufgebaut", sagt er. Ähnlich hat es sich bei einem Weingut in Niederösterreich zugetragen, als ein Tank der Firma Letina, die Ledineggs in Österreich vertreiben, in den Keller sollte. "Dafür haben wir die Stiege abbauen und alle anderen Tanks herausholen müssen. Aber wir haben ihn hineinbekommen."

Christoph und Verena Urdl-Ledinegg sowie Helmut und Berta Ledinegg (v. li.) haben ihre Homebase im südsteirischen Gamlitz. Von dort aus rücken sie mit Tank und Maschinen in sämtliche Weinregionen Österreichs sowie nach Deutschland, in die Schweiz und nach Ungarn aus.
Foto: Katharina Gossow

Tank-Tetris

Im Stahltankgeschäft zählt jeder Millimeter. Mit verfügbaren Größen von einigen Hundert bis Zehntausenden von Litern wird der Platz beim Kunden optimal genutzt. Bestellt ein Winzer bei Ledinegg und seiner Familie einen ganzen Kellerraum, wie es Familie Tement vor einigen Jahren getan hat, ist das Ganze in circa fünf Tagen erledigt. Tank an Tank, akkurat, glänzend, kühl, exakt und hygienisch aneinandergereiht stehen sie dann da, die berechenbarsten aller Weinbehältnisse.

Romantisch ist das nicht. Das ist in dem Fall auch nicht gefragt. "Die Winzer haben ihre besonderen Weine, die sie vielleicht ins Holz oder in die Amphore geben. Aber die klassische Linie, die hat quasi jeder", sagt Berta Ledinegg. Für die passt Stahl hervorragend. An dem Punkt kommen die Stahltanks zum Zug. "Innen sollten sie 3D-poliert sein", erklärt Christoph Urdl-Ledinegg, der den Winzern wie sein Schwiegervater beratend zur Seite steht.

Durch diese Technik werde die Oberfläche so glatt, dass Hygiene garantiert ist. Für immer. Denn Stahl hält ewig. Helmut Ledinegg: "Stellen wir uns einen Tank vor, der drei Jahre nicht benutzt und gereinigt wurde. Einmal mit heißem Wasser ausgespült, steht er wie neu da." Zudem sei er im Vergleich zu Holz oder anderen Materialien die wirtschaftlichste Entscheidung. So ein Tank mit 10.000 Litern Fassungsvermögen sei schon um circa 6000 Euro zu haben.

Außerdem: Wie wolle man denn einen Sektdrucktank aus Ton bauen, der bis zu sechs bar Druck aushalte? Nichts sei verlässlicher als der Stahltank. Der Wein wird durch Edelstahl nicht verändert, heißt es bei Familie Ledinegg. Kühlaggregate, die außerhalb des Tanks verlaufen, sorgen für eine exakte Temperaturkontrolle.

Die verstärkten Mannslochtüren, sprich die Türchen, durch die der Winzer und seine Helfer in den Tank klettern, ermöglichen ein leichteres Arbeiten sowie Reinigen. Und: Nichts, das den Wein beeinflussen könnte, kommt an ihn heran. Wobei das Nichts an Luft auch prägt. Als betont primärfruchtig bezeichnet man die Weine häufig, die diesen Stahlriesen entschlüpfen.

Unbestritten ist die Tatsache, dass die Aromatik, die PVC-Tanks im Wein hinterlassen, tatsächlich unerwünscht ist. Noch vor 30 Jahren waren die Plastikbehälter anstelle der Stahltanks angesagt. Günstig und flexibel im Volumen waren sie. Doch die Hygiene und ein kontrollierteres Arbeiten seien erst mit den Stahltanks in die Weinkeller eingezogen. Und ein paar berechenbare Faktoren sind im adrenalingebeutelten Winzerleben auch keine schlechte Sache.

Familie Ledinegg steht ihren Kunden in puncto Obst- und Weinbautechnik zur Seite. Ihr Repertoire reicht von Stahltanks über ganze Kellersysteme bis hin zu Landmaschinen und Traktoren.

www.ledinegg.at

(Nina Wessely, Rondo, 17.5.2019)