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Pro
von Daniel Koller

Beim Grillen hört sich der Spaß auf. Experimente im Freien sorgen bei mir für Stirnrunzeln. Als grillerprobter Mann weiß man ohnehin alles besser. Fangen wir beim Feuer an: unbedingt Kohle und Briketts mischen. Wer nicht so grillt, kann gleich mit der Pfanne kochen.

Auch bei der Verteilung des Grillguts und dabei, wie lange es liegen muss, weiß ich Bescheid. Würstel und Geflügel eher außen, das Steak hingegen in der Mitte über der Hitze.

Und auch wo man das beste Fleisch bekommt, sollte unbedingt vorab mit mir abgesprochen werden. Als selbsternannter Grillexperte hat man auf jeden Fall auf meine Expertise zurückzugreifen.

Beim eigentlichen Grillvorgang wird dann selbstverständlich Hand angelegt. Niemand sonst darf in den Genuss der Grillzange kommen – selbst der Gastgeber wird weggescheucht. Man(n) weiß schon, was man(n) macht. Die Grillsaison kann also kommen. Wann wurde ich eigentlich das letzte Mal eingeladen?

Kontra
von Stefan Weiss

Beim Grillen hört sich der Spaß auf. Es handelt sich um einen tief im kollektiven Menschheitsgedächtnis verwurzelten rituellen Vorgang, vergleichbar nur mit einer heiligen Messe. Gegrillt wird der jahrtausendealten Tradition folgend am offenen Lagerfeuer in freier Wildbahn. Schwätzverbot herrscht dabei schon lange vor der eigentlichen Opferung.

Bereits die Gabenbereitung bedarf disziplinierter Rollenverteilung: Das Wort führt einzig der Grillmeister. Gehilfen schaffen Holz und Zunder heran, ihr Blick bleibt demütig gesenkt. Erst wenn sie gefragt werden, murmeln sie magische Formeln oder gehen dem Grillmeister still zur Hand.

Stoisch ertragen wird auch die beim Opferungsvorgang entstehende Rauchentwicklung. Sie dient der rituellen Reinigung von allen schlechten Gedanken. Erst beim gemeinsamen Mahl weicht das Redeverbot ausschließlich anerkennenden Worten. Kritik am Grillmeister ist unter Strafe tabu. Man sagt selbst zur trockensten Hostie Amen. (RONDO, 27.6.2019)