Rechtsdrehende Wirtschaftswissenschafter haben in der Nationalbank nichts verloren, ärgert sich Helmut Kramer in seinem Gastbeitrag. Dazu gibt es eine Replik von Martin Rhonheimer.

Von den ambitiösen Anstrengungen der Bewältigung von Gegenwart und Zukunft, welche die Prä-Ibiza-Welt unserem Land zu bescheren angekündigt hatte, ist die "Heimkehr" von Austrian Economics nach Wien vielleicht die am wenigsten aufregende, aber eine der peinlichsten und unnötigsten.

Die Initiative dazu geht von der neuen Vizepräsidentin der Nationalbank, Frau Barbara Kolm (Universität Donja Gorica), aus. Die Dame managt gleichzeitig das Austrian Economics Center und das Friedrich-August-von-Hayek- Institut sowie das Austrian Institute of Economics and Social Philosophy in Wien und gehört einer Anzahl von radikal-liberalen Gruppierungen an, die sich auf die Sozialökonomie Hayeks berufen. Für November 2019 wird die Achte Internationale Konferenz über "Die österreichische Schule der Ökonomie im 21. Jahrhundert" in der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) angekündigt.

Hayek war zweifellos ein Vordenker der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Perspektiven, die sich für ihn aus der Katastrophe der Weltwirtschaftskrise der 30er-Jahre und ihrer schrecklichen Folgen ergaben. Die Probleme, vor die sich die Welt im 21. Jahrhundert gestellt sieht, haben sich jedoch vom damaligen Hintergrund Hayeks in jeder Hinsicht weit entfernt. Hayeks Leistung als Sozialphilosoph und Ökonom hat es nicht verdient, von reaktionären Interessen und von angeblich wissenschaftlichen Vorurteilen okkupiert zu werden.

Zur Konferenz sind zwei Keynote-Speaker aus den USA, Robert P. Murphy und Tom Woods, angekündigt. Ihnen ist gemeinsam, dass sie in der ökonomischen Wissenschaft so gut wie keine Reputation besitzen. Sie finden jedoch in konservativen TV-Medien, die der Regierung Trump nahestehen, genügend nichtakademische Beachtung, zumal sie reaktionäre Wirtschaftspolitik mit der Aussicht auf Gewinne an Seelenheil verbinden.

Bibel wörtlich interpretiert

Beide treten mit wortwörtlichen Interpretationen der Bibel im Sinne des Kreationismus auf, unter anderem mit der Bestätigung der Lehre – im alttestamentarischen Buch Jonah -, wonach Jonas vom Wal geschluckt und nach Tagen wieder lebend ausgespuckt worden sei. Im Übrigen predigen beide Autoren "Free Market Fundamentalism" auch für die Geldpolitik. Die US-Notenbank mache sich, warf ihr Murphy in der Rezession 2009 vor, am unvermeidlichen Herbeiführen einer Hyperinflation von 20 Prozent schuldig, während sie in Wirklichkeit ein bis zwei Prozent erreichte.

Frau Kolm steht hinter der Installation eines bisher kaum in Erscheinung getretenen Österreichischen Instituts für Wirtschaft und Sozialphilosophie unter der Präsidentschaft des Ethik-Professors Martin Rhonheimer, der als katholischer Priester und Angehöriger von Opus Dei den Klimawandel bezweifelt und gegen wirksame Klimapolitik auftritt.

Er argumentiert u. a., klimapolitische Aktivitäten stellten derzeit eine "Blase" dar. Sie drohten, die Wirtschaft eines ganzen Landes (er meint Deutschland und die dortige Autoindustrie) zu schädigen. Damit steht er im Einklang mit Auffassungen, die bis Ibiza vom FPÖ-Obmann geäußert wurden. Lobbying hat Frau Kolm zugunsten der Interessen von Industrien und von Kapital, die sich von der Politik bedroht fühlen, etwa von Rauchverboten gegen die Interessen der Tabakindustrie, in den USA betrieben; das will sie von dort offenbar parallel nach Österreich verschieben.

Diese Art des Gedenkens an Friedrich A. von Hayek und an andere Leistungen österreichischer Ökonomen wird deren Leistungen um die Wissenschaft wahrlich nicht gerecht. Die alles in allem erfolgreiche österreichische Wirtschaftspolitik, insbesondere auch der Wirkungsbereich der Nationalbank, benötigt diese Art von Nachhilfe wirklich nicht. Sie könnte von den tatsächlich brennenden Fragen der Gegenwart und der Zukunft ablenken und in überholte Ideologien abdriften. (Helmut Kramer, 17.6.2019)