Beim Eingang zum Gänsehäufel ist ein Standl, an dem frische Bio-Erdbeeren, Pfirsiche, Wassermelonen und anderes Obst feilgeboten werden. Schaut alles gut aus, wirkt bei 33 Grad wie begehrenswerte Mittagsverpflegung. Die Nachfrage aber ist überschaubar: Bis auf zwei Damen, die sich je eine Schale Kirschen und Marillen ("Die Ersten aus dem Burgenland!") einpacken lassen, strömen die Badegäste an diesem Dienstag zu den Kassen und Drehkreuzen von Wiens meistbesuchtem Freibad, ohne den Stand eines Blickes zu würdigen.

Gänsehäufel

Aber gut, das Gänsehäufel bietet andere Möglichkeiten, sich nach Insel-Umschwimmen und Am-Wellenbad-Verschlucken zu stärken – von den Kalorien, die beim Baucheinziehen verbrannt werden, ganz zu schweigen. Es gibt ein Restaurant und zwei Buffets im allgemeinen Bereich sowie ein weiteres auf dem FKK-Gelände. Letzteres konnte wegen mangelnden Sonnenöls für diesen Test nicht berücksichtigt werden. Bald nach dem Eingang, auf der von Bäumen, Kabinen- und Kästchenblocks eingefassten Promenade, lockt die Donaubrise mit Langos ("so viel Knoblauch, wie du willst"). Spätaufsteher dürfen sich über allerhand Frühstück freuen.

Im FKK-Bereicht konnte mangels Sonnenöls nicht getestet werden.
Foto: Heribert Corn

Das "Urlaubsfeeling" wird von der Früh weg aber auch mit einem Liter Sangria (15,50 Euro) befördert, die Flasche Gemischter Satz DAC vom Mayer am Pfarrplatz geht um 19,50 Euro über die Selbstbedienungsbudel. Die Karte verspricht "Ceasar Salat" (sic!) und "Rosaroten Hummusteller", allein die Gäste tun ihren dunkelbraun frittierten, ölglänzenden und mit Tigerprint und Neon-Elasthan nur minimal garnierten Schenkeln lieber auf andere Art Gutes: "Hendlfarmer-Wrap" zum Beispiel ist nicht etwa ein Pareo für feiste Geflügelbauern, sondern ein mit kaltem Hendl (mehr gekocht als gebraten) nicht eben drall gefüllter Fladen, der mit Salat, Gurke und Tomate komplettiert und mit BBQ-Sauce gewürzt ist.

Hendlfarmer-Wrap mit Dopingeffekt.
Foto: Heribert Corn

Ein gewisser Dopingeffekt ist Letzterer nicht abzusprechen: Wenn sich der aggressiv süße, alarmierend nach Aschenbecher schmeckende Kleister am Gaumen breitmacht, ist die Trägheit der Mittagshitze mit einem Mal weggewischt, Adrenalin schießt ein. Dabei sind es gar nicht Tschickstummel, die diese Sauce würzen, nur chemisch generiertes Raucharoma. Dass der Fladen auf spektakuläre Weise durchgefeuchtet ist (und beim Reinbeißen gleich einmal platzt), wirkt dennoch beruhigend: In diesem Biotop überlebt keine Tschickglut.

Der STANDARD-Restaurantkritiker Severin Corti verbrachte die vergangene Woche an der Buffetfront in Wiener Freibädern.
Foto: Heribert Corn

Die dazu servierten Pommes sind lauwarm, aber krachend knusprig. Auch kein Problem: Ketchup darf ad libitum aus einem bereitgestellten Kübel darübergepumpt werden, Mayo ebenso. Aber es gibt auch echte Überraschungen: "Fishermans Frites" sind gebackene Ährenfische, die mit Zitronen und Knoblauchsauce (besser nicht probieren!) um 8,90 Euro über die Budel gehen: sind vielleicht eine Idee zu lang frittiert, schmecken aber tadellos frisch und sind so knusprig, dass trotz brüllend brütender Hitze die Möglichkeit von Spritzwein durch die Ganglien flirrt.

Frittierte Ährenfische in der Donaubrise: mit Abstand das beste Essen in diesem Test.
Foto: Heribert Corn

Aber weiter, im Buffet Klampfer hinter dem Wellenbad ist die mittägliche Flut an der Theke gerade am Abebben. Fleischlaberln mit Pommes (8,70 Euro) sind aus, "das letzte können S’ in an Semmerl haben!".

Es wird gemunkelt, dass bei Gastrofleischlaberln die Ratio zwischen Fleisch und aufgeweichten Semmeln oder -bröseln als Inhaltstoff durchaus mutig zugunsten der Semmeln verschoben wird. Auch das findet Liebhaber – wenn aber mit Fleisch aromatisierte, panierte Semmelcreme in letscherter Semmel verabreicht wird, wird’s herausfordernd.

Panierter Semmelbrei in Semmel: Fleischlaberl-Semmel vom Buffet des Gänsehäufels.
Foto: Heribert Corn

Ketchup und Senf sind zum Glück verlässliche Schmiermittel, um dem in gummige Panier gefassten Semmelbrei den Weg nach unten zu erleichtern. Dass auch ordentlich Knoblauchpulver mit dabei war, wird einem spätestens beim Aufschwappen im Wellenbad bewusst – oh, Pardon! Im Restaurant am Weststrand ("mit Bedienung") macht derweil eine Runde von Bademeistern Pause. Tagesteller, Augsburger mit Kartoffel-Rahmgemüse (5,70 Euro), ist auch hier aus, dafür gibt es saure Wurst (6,90 Euro) und Budweiser vom Fass, dazu den Schatten alter Bäume und das angestrengte Plätschern des Ruderernachwuchses auf der Alten Donau. Die akkurat in Mandalaform gelegte Wurst ist nach kaum drei Minuten auf dem Tisch, die Marinade der lokalen Tradition entsprechend vornehmlich aus Wasser, ein Berg rohen Zwiebels oben drauf sorgt, endlich, für Vitamine. Und ist auch nur marginal oxidiert.

Saure Extra im Restaurant des Weststrands im Gänsehäufel: So rosa ist sie nicht von Natur aus, so mehlig aber durchaus.
Foto: Heribert Corn

Dafür leuchtet die Extrawurst in unwirklichem Rosa, wiewohl ihr erhebliche Mehligkeit attestiert werden muss. Hat freilich auch ihr Gutes, so kann man sich die Semmel sparen.

"Fleischlaberl"-Semmel?
Foto: Heribert Corn

Stadionbad

Nächster Tag, nächste Station, Stadionbad. Das Selbstbedienungsrestaurant ist in Kunststoffgelb gehalten und erinnert an die Essensausgabestellen bundesdeutscher Raststätten: Hinter der Theke die Fertigsaucen im Bain-Marie, dazu Mikrowelle und Fritter, davor das schmächtige Salatbuffet und mächtige Getränkekühlschränke. Dafür ist die Speisenauswahl unmissverständlich wienerisch: Frittatensuppe, Cordon vom Leberkäse, Wiener vom Schwein oder Huhn, Cevapcici, Kaiserschmarrn. Beim Ordern der Suppe kommen Bedenken auf. Die Frittaten ("Chef, wo haben wir die?") landen erst in der Mikrowelle, dann kommt braungrüne, opake Flüssigkeit aus dem Wasserbad in die Schale. Ist leider nicht genießbar: Die Frittaten, mit industrieller Exaktheit geschnipselte Schaumstoffstreifen, zerfallen im Mund. Könnten freilich erste Anzeichen für Verätzung sei: Die Flüssigkeit, puristisch aus gekörnter Brühe und wenig Wasser komponiert, ist bis zum Anschlag mit Salz gesättigt.

Während man grübelt, wie sich diese Lauge (ums Zehn- oder gar Zwanzigfache verdünnt?) vielleicht doch als Suppe verkaufen ließe, meldet sich der Tischnachbar: "Respekt, Sie san’ mutig. Außer Pommes hab’ ich da noch nie was g’essen."

Die gefüllten Paprika im Stadionbad überleben die Mikrowelle nur ramponiert.
Foto: Severin Corti

Der hagere Herr mit dunkelbraun gegerbter Brust und gelber Ottakringer-Dose kennt sich offenbar aus, muss aber leider weiter: "Die Frau wartet mit dem Essen, die hat’s ned so mit der Sonne." Also weiter, zum Hauptgang. Die reklamierte Suppe wird vom Küchenchef, gebürtiger Rostocker, anstandslos zurückgenommen ("hab ich nich gemacht, entstand aber in meiner Verantwortung"), die gefüllten Paprika ("Tagesspezialität") im Gegenzug gleich gar nicht verrechnet – mehr als anständig. Auch sie kommen samt Salzerdäpfeln erst einmal in die Mikro, bevor Paradeissauce hinterhergeschöpft wird.

Die Paprika überleben die Mikrowelle (siehe Bild) mehr schlecht als recht. Die grauweiße Fülle ist mit viel Reis versetzt, Fleisch (Pute?) ist aber eindeutig auch drin. Geschmack: unauffällig. Konsistenz: elastisch, im Flummi-Sinn. Die Paprika: so weich geschmort, dass sich die bittere Haut fast automatisch vom Fruchtfleisch löst. Und die Paradeissauce? Völlig ungewürzt, in dem Fall ein Pluspunkt. Insgesamt also weit entfernt von gutem Essen, aber doch vollständig im Rahmen des Essbaren.

Zur Vervollständigung des Urteils muss es jetzt noch Cordon vom Leberkäse sein – ganz ohne Pommes darf man nämlich nicht aus dem Freibad. Auch hier dauert die "Zubereitung" kaum zwei Minuten. Auf der Habenseite stehen die Pommes, außen knusprig, innen noch weich und saftig, mit Abstand die besten Freibadpommes im Test.

Leberkäse-Cordon, überlegen knusprige Fritten: Wie kann der Ziegel so sauer sein?
Foto: Severin Corti

Der Leberkäse, nun ja. Es gibt keine Knorpeleinschlüsse oder gar Knochensplitter, wie man das von Wiener-Würstelstand-Ware kennt. Dafür ist der Nachgeschmack massiv sauer. Man will hoffen, dass dies vom (ansonsten unauffälligen, zu Proteinbrei zerfallenen) Käse herrührt. Eine dünne Scheibe vom Toastblock darf als Schinkenersatz dienen.

Am interessantesten schmeckt der kompakte Dachziegel an jenem Rand, wo die Panier nicht gehalten hat, der Käse ausgeronnen ist: Der Leberkäse ist hier knusprig und dunkelbraun wie ein Saisonkartenbesitzer Ende Juli, schmeckt zart nach verbrannter Milch, nach ordentlich Salz, nach Wurstknusper.

Schönbrunner Bad

Als letzte Station darf es das privat betriebene Schönbrunner Bad sein. Auf makellos gestutztem Rasen räkeln sich ältere Herrschaften in mitgebrachten Sonnenliegen, der Pool ist, bis auf zwei Längenschwimmer, an diesem Nachmittag leer. Alles sehr friedlich, auch im Restaurant. Der "Schönbrunner Burger", laut Scheibenaufkleber "best in town", ist dennoch schon aus. Die freundliche Servierkraft rät zu "Grilled Chickenburger" (13,90 Euro). Auch der kommt zügig zu Tisch, die drei schmalen Hendlstreifen waren mutmaßlich bereits vorgegart, Grillaroma ist nicht auszumachen.

Grilled Chickenburger mit Weichschaum-Bun.
Foto: Severin Corti

Vielleicht ist das "grilled" im Namen ja auf die "hausgemachte" Sauce gemünzt, für die BBQ-Sauce offenbar mit Fertigmayo vermengt wurde, was in leicht gezähmtem Aschenbecherton resultiert. Der Weichschaum-Bun mit Sesamdeko ist jedenfalls zu groß für so wenig Fleisch, dafür gibt es ordentlich Salat, eine hauchdünne Idee Tomate und einen ganzen Berg Zwiebel, der schlussendlich doch noch für respektabel angefüllte Burgeranmutung sorgt.

Serviert wird das Ganze mit dünnen, knusprigen Pommes auf dem Faksimile einer kubanischen Zeitungsseite aus vorrevolutionärer Zeit – geht mit der balkanischen Anmutung des Rohzwiebelburgers nicht ganz zusammen und wirkt doch eher verschwitzt nostalgisch nach einer Zeit, als die Karibikinsel im Würgegriff der Mafia war und als Hurenhaus Amerikas gelten musste.

Ein Hupfer in den Pool lässt sich nach so einer Buffet-Bonanza nicht mehr verantworten. So wankt man, mit Klaftersteinen im Bauch, den Weg durch den Schlosspark retour. Um am Ausgang Hohenbergstraße, wo der Würstelstand "zum Imperator" wartet, doch wieder erleichtert zu sein. Da sind laut Hinweistafel "Riesen-Käsekrainer mit 1,20 kg um 25 Euro" die Spezialität. Würstelstandtest, das wär’s gewesen! (Severin Corti, 22.6.2019)