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Drei der wohl umstrittensten politischen Führer beim G20-Gipfel in Osaka: Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro, der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman und Russlands Präsident Wladimir Putin (v. li.).

Foto: AP/Susan Walsh

Der jährliche Gipfel der G20-Staaten entstand als Folge der großen Finanzkrise. Damals löste der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers ein internationales Misstrauen zwischen Geschäftsbanken aus, die Weltwirtschaft ging dadurch in die Knie. Doch je länger die Krise zurückliegt, desto weniger sind die G20-Staaten zu Kompromissen im Interesse der Weltgemeinschaft bereit. Stattdessen dient die Konferenz, deren Teilnehmer immerhin rund 80 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung repräsentieren, verstärkt nationalen Egoismen.

Zum Gipfelauftakt sprach der Gastgeber Japan die Tendenz offen an. Premierminister Shinzo Abe rief die Teilnehmer zur Kompromissbereitschaft auf und verlangte von ihnen, mehr auf ihre Gemeinsamkeiten als auf ihre Differenzen zu schauen. "Die G20 sollte eine starke Botschaft für die Beibehaltung und Stärkung des freien, fairen und diskriminierungsfreien Welthandelssystems senden", wandte sich Abe gegen jeden ökonomischen Nationalismus. Vergeltungsschläge in Handelskonflikten brächten keinem Land einen Vorteil, mahnte der Japaner.

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Die Speerspitze der freien Welt? Die britische Premierministerin Theresa May und US-Präsident Donald Trump.
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Als ersten, wenn auch eher kleinen Erfolg konnte der Japaner ein Bekenntnis der G20-Staaten zur Regulierung des Onlinehandels verbuchen. Ein eigenes Forum soll Regeln für den grenzüberschreitenden Datenfluss erarbeiten. Es gehe um eine ähnliche Regelung, wie es sie in Europa im Zusammenhang mit der Datenschutzgrundverordnung gebe, erläuterte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Der eigene Schrebergarten

Doch statt der Erarbeitung gemeinsamer Ziele nutzen viele Staatschefs den Gipfel zu bilateralen Gesprächen über ihre eigenen Probleme. Typisch dafür ist das Treffen von US-Präsident Donald Trump mit Chinas Staatschef Xi Jinping am Samstag über ihre Handelsstreitigkeiten.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker forderte bei der G20-Konferenz eine Stärkung der Welthandelsorganisation (WTO). Die G20-Staaten hatten die Reform schon im Vorjahr in Buenos Aires beschlossen, seitdem ist wenig passiert. Junckers Vorstoß galt den Bremsern China und USA. China zeigt wenig Interesse an den gewünschten Regeln gegen wettbewerbsverzerrende Subventionen und den erzwungenen Transfer von Technologien. Beides sind wesentliche Instrumente der Strategie von Xi, China in eine Weltmacht zu verwandeln. Die USA wiederum blockieren die Ernennung neuer Mitglieder für das WTO-Berufungsgremium, weil die Organisation zu wenig für die Interessen von Washington tut.

Zu den großen Störern zählt Präsident Trump. Schon bei seinem ersten G20-Gipfel vor zwei Jahren in Hamburg nervten ihn der mühsame Austausch mit anderen Staatschefs und ihre Suche nach Kompromissen. Damals verabschiedete er sich vorzeitig und überließ seiner Tochter Ivanka das Feld. Vor dem Osaka-Gipfel setzte Trump mit einem Fernsehinterview und über Twitter seine eigene Agenda, um dann die Schlagzeilen mit zahlreichen Einzeltreffen zu beherrschen. Den eigentlichen Zweck des G20-Treffens drängte er auf diese Weise in den Hintergrund.

Klima: Macron macht Druck

Anschauungsmaterial für den Zustand der Weltgemeinschaft liefert die Klimapolitik. Der Kampf gegen die Erwärmung der Erdatmosphäre zählte nicht zu den ursprünglichen G20-Aufgaben wie die Finanzstabilität. Aber für die Zukunft der Menschheit wird diese Frage immer drängender. Doch außer den USA wollen inzwischen auch Brasilien, die Türkei, Saudi-Arabien und Australien weniger Druck zugunsten des UN-Klimaabkommens von Paris machen. Das Pariser Klimaabkommen sieht vor, den Anstieg der globalen Temperatur auf weniger als zwei Grad zu begrenzen.

Der Gastgeber zögert ebenfalls, da Japan zu den Klimasündern gehört: Seit der Atomkatastrophe von Fukushima stammt fast der gesamte Strom aus fossilen Quellen wie Flüssiggas und Kohle. Doch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte an, keine Abschlusserklärung zu unterschreiben, die hinter früheren G20-Bekenntnissen zurückbleibt. Sollte es keine gemeinsame Gipfelerklärung geben, wäre es das erste Mal seit Beginn dieser Treffen der Staats- und Regierungschefs im Jahr 2008.

Kaum Bürgerproteste in Japan

Dennoch gibt es in Osaka kaum Bürgerproteste gegen den mangelnden Kompromisswillen unter den G20-Staaten. Nur das C20 genannte Bündnis der Zivilgesellschaft warf den großen Wirtschaftsmächten vor, ihre Versprechen für soziale Entwicklung und Umweltschutz nicht einzuhalten. "Wir sehen häufig keine Aktionen, die eingegangenen Verpflichtungen umsetzen", kritisierte die C20-Vorsitzende Yuka Iwatsuki. Globale Herausforderungen erforderten globale Lösungen. "Wir haben keine Zeit zu verlieren", sagte die Aktivistin. Aber viele G20-Staaten scheinen nicht bereit zu sein, ihren einsamen Ruf zu erhören. (Martin Fritz aus Osaka, 28.6.2019)