Carola Rackete, wie sie in einem italienischen Polizeiauto ins Gerichtsgebäude in Agrigento gebracht wird.

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Die Sea-Watch 3 wurde am Dienstag vom Hafen in Lampedusa in jenen der Stadt Licata gebracht – eskortiert von Polizeimotorbooten. Dort wird sie von Staatsanwälten untersucht. Geprüft werden soll dabei, ob es Beweismaterial dafür gibt, dass die Crew Kontakt zu libyschen Schleppern hat, sagte der ermittelnde Staatsanwalt Luigi Patronaggio am Montagabend.

Unklar war hingegen weiterhin das Schicksal der Kapitänin Carola Rackete, die die Sea-Watch 3 mit 40 geretteten Menschen an Bord am Samstag unerlaubt nach Italien gesteuert hatte. Am Dienstag sollte ein Ermittlungsrichter in Agrigento entscheiden, ob die 31-jährige Deutsche nach ihrer Festnahme auf freien Fuß gesetzt wird. Bis Redaktionsschluss stand diese Entscheidung noch aus.

Möglich ist, dass der derzeit geltende Hausarrest gegen Rackete aufgehoben wird. Alternativ könnte gegen sie ein Aufenthaltsverbot für die Provinz Agrigent verhängt werden, zu der auch die Insel Lampedusa gehört. Wie es dann weitergeht, war noch unklar.

Europas "Müllhalde"

Italiens Innenminister Matteo Salvini hatte vor der Gerichtsentscheidung noch einmal aus allen Rohren gegen die "deutsche Kriminelle" geschossen und sich gegen eine Freilassung ausgesprochen. Rackete könne seinetwegen künftig ja Bootsfahrten auf dem Comer See machen oder als Freiwillige in einem Senioren- oder Behindertenheim arbeiten, "aber sie soll uns nicht im Mittelmeer auf die Nerven gehen und Finanzpolizisten gegen Hafenmauern donnern", ließ Salvini wissen. 60 Millionen Italiener hätten es satt, "von ganz Europa als Müllhalde behandelt zu werden".

Für den Fall, dass Rackete dennoch freigelassen wird, hat Salvini die sofortige Abschiebung nach Deutschland angekündigt. Diesem Ansinnen hat sich jedoch die Staatsanwaltschaft entgegengestellt: Carola Rackete soll zuerst auch noch wegen des Tatbestands der Erleichterung der illegalen Einwanderung einvernommen werden. Zu diesem Zweck ist für den 9. Juli bereits ein neuer Gerichtstermin anberaumt worden.

Am Montag war Carola Rackete hauptsächlich zu dem umstrittenen Anlegemanöver im Hafen von Lampedusa befragt worden, bei dem die Sea-Watch 3 ein Schnellboot der Finanzpolizei gegen die Hafenmauer gedrückt hatte.

Nach der Einvernahme vom Montag hatte Staatsanwalt Luigi Patronaggio erklärt, dass "die Angeklagte kooperativ gewesen ist und präzise auf die Fragen geantwortet hat".

Zweifel an Notlage

Dass sich die von ihr kommandierte Sea-Watch 3 in einer Notlage befunden habe, wie die Kapitänin geltend macht, verneinte Patronaggio aber klar: Die Menschen auf dem Schiff seien permanent medizinisch überwacht worden, und wenn bei einem von ihnen der Gesundheitszustand ernst zu werden drohte, sei er jeweils umgehend an Land und in ein Krankenhaus gebracht worden. Patronaggio nimmt Rackete auch nicht ab, dass der Zusammenstoß mit dem Boot der Finanzpolizei ein Versehen gewesen sei, wie die Kapitänin sagt.

Die italienische Hilfsorganisation Mediterranea schickte unterdessen ein neues Schiff aufs Mittelmeer. Die Schiffe zweier weiterer NGOs, der deutschen Sea-Eye und der spanischen Proactiva Open Arms, sind bereits im Mittelmeer in Richtung Libyen unterwegs. (Dominik Straub aus Rom, Kim Son Hoang, 2.7.2019)