Das Motto des sommerlichen Parlaments-Kehraus beschrieb die "ZiB 2" vor kurzem treffend durch bloße Aneinanderreihung von O-Tönen der Parteichefs. "Das freie Spiel der Kräfte" führte jede und jeder von ihnen im Mund. Was damit gemeint war, sah man zwei Tage später: Der Nationalrat beschloss Gesetze und Reformen mit wechselnden Mehrheiten.

Die öffentliche Begeisterung darüber wirkt etwas eigenartig. Immerhin wurden die Abgeordneten ja als freie Mandatare gewählt. Sie sind im Grunde nur ihren eigenen Überlegungen, ihrem Gewissen und ihren Wählern verpflichtet. Der "Klubzwang", dem sie sich üblicherweise unterwerfen, ist das eigentlich Widersinnige.

Bevor man nun euphorisch die Selbstbefreiung des Parlaments aus dem Diktat der Parteien feiert: Emanzipation geht anders. Wirklich frei verhielten sich die Mandatare bei den Abstimmungen nämlich nicht. Schön brav stimmten sie so, wie es ihre jeweiligen Klubobleute vorgaben.

Hauch von Revanchismus

Viel interessanter wäre es freilich gewesen, hätten beispielsweise einige FPÖ-Mandatare auch für das Rauchverbot gestimmt, vereinzelte SPÖ-Abgeordnete ihre Zustimmung zur Beschränkung der Parteispenden verweigert oder ein paar ÖVP- und Neos-Abgeordnete dem Anspruch auf ein Papamonat zugestimmt. Das alles passierte aber nicht. Insofern war die Freiheit keine grenzenlose.

Ein Glanzstück des österreichischen Parlamentarismus war die letzte Plenarwoche vor dem Sommer wahrlich nicht.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Was dagegen passierte: Jede Partei versuchte noch schnell jene Themen durchzubringen, mit denen sie glaubt, im Wahlkampf am besten punkten zu können. Wenn es dabei noch gelang, der Konkurrenz eins auszuwischen – umso besser. Ein Hauch von Revanchismus wehte durchs Hohe Haus.

Dies kostet die Steuerzahler nun deutlich mehr als im Budget eingeplant. Soll sein, wenn vernünftige Regelungen wie der Ausbau der Ganztagsschule damit verbunden sind. Allerdings wurden auch großzügig die üblichen Wahlzuckerln an Pensionisten verteilt – alles recht durchsichtig.

Intransparenz

Zudem sind einige neue Regelungen nicht ausreichend durchdacht: Hatte die SPÖ tatsächlich die politische Absicht, den Vorwurf der Intransparenz bei Parteifinanzen, der zuletzt die ÖVP traf, auf sich zu ziehen? Wollte sie wirklich der FPÖ die Absolution für die Unsäglichkeiten im Ibiza-Video erteilen, indem man gemeinsam mit dem Finger auf Türkise und Neos zeigt? Sollte das eine besonders ausgeklügelte Strategie sein, hat sie sich bis dato nicht erschlossen.

Schwerer noch wiegt, dass SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner selbst die Unabhängigkeit des Rechnungshofs in Zweifel zieht – einer Institution, deren Prüfqualität auch international anerkannt ist. Die Verächtlichmachung staatlicher Institutionen war stets eine Spezialität von Rechtspopulisten. Bis dato hatte die SPÖ am Rechnungshof wenig auszusetzen. Wenn sie sich plötzlich an parteipolitischen Besetzungsmodi stößt, dann bitte auch dort, wo sie selbst profitiert – etwa bei der Besetzung der Volksanwaltschaft. Es verwundert, dass keiner der sonst so kritikfreudigen Parteikollegen Rendi-Wagner widersprach.

Seltsam ist auch, dass kein ÖVP-Mandatar Anstoß am Wutausbruch des Nationalratspräsidenten nahm. Da steht Parteiloyalität wohl über der Sorge um die Würde des Hohen Hauses.

Ein Glanzstück des österreichischen Parlamentarismus war die letzte Plenarwoche vor dem Sommer wahrlich nicht. Emanzipation der Volksvertreter geht ein bisserl anders. (Petra Stuiber, 6.7.2019)