Ein Holztisch, zwei Sessel, kein Schnickschnack: Das Setting der ORF-"Sommergespräche" 2019 in Wien-Liesing ist nüchtern, auch auf Wunsch des diesjährigen Moderators Tobias Pötzelsberger (36), der Mitte Mai souverän durch die Sondersendungen über Ibiza-Gate geführt hat. Er selbst beschreibt sich als "Innviertler Landei", das "schon immer politisch interessiert war". Schon seit 2004 war er für den ORF in Salzburg tätig, seit Herbst 2018 berichtet er für die "Zeit im Bild". Ab 5. August interviewt er live jeweils montags um 21.05 Uhr in ORF 2 die fünf Parteichef – je nach Wetter draußen auf der Terrasse oder in den Räumlichkeiten des ORF-Vorabendmagazins "Studio 2".

STANDARD: Nachdem Sie gefragt worden waren, die ORF-"Sommergespräche zu moderieren, verordneten Sie sich eine kurze Nachdenkpause. Was waren Ihre Bedenken?

Pötzelsberger: Es war eine wahnsinnig aufregende Zeit, es gab ja nicht nur den 18. Mai, sondern viele weitere Sondersendungen. Es war für mich ein gewisser Überraschungseffekt. Ich neige dazu, die Dinge zwar auch aus dem Bauch heraus zu entscheiden, aber eben nicht nur mit dem Bauch.

STANDARD: Wann ist ein Gespräch ein gelungenes Gespräch?

Pötzelsberger: Ganz banal: wenn es nicht fad war. Es geht um die Mischung. Es wird Phasen in den Gesprächen geben, die hart geführt werden müssen. Es muss aber auch solche geben, wo man persönlich werden muss. Nicht privat, aber persönlich. Wenn sich das die Waage hält, dann entsteht aus dem heraus schon die Spannung. Aber da gehören immer zwei dazu.

Freundlich-insistierend": Tobias Pötzelsberger mit ORF-2-Chef Alexander Hofer (hinten rechts)m, ORF-2-Chefredakteur Matthias Schrom und Robert Stoppacher, Leiter TV-Diskussionen (rechts).
Foto: STANDARD, Corn

STANDARD: Lassen sich Kandidaten eher auf Persönliches ein, wenn sie im Wahlkampfmodus sind?

Pötzelsberger: Eher nein. Die Kandidaten sind durch die Bank alles sehr kontrollierte Leute, die ganz genau wissen, was sie wann sagen wollen. Ich glaube, den wenigsten Politikern passiert etwas Spontanes. Natürlich mit Ausnahmen, etwa Frank Stronach. Aber es ist eine Illusion zu glauben, die Politiker wollen nur nett mit mir plaudern.

STANDARD: Mit wem wird es am schwierigsten für Sie?

Pötzelsberger: Ich habe vor niemandem Bammel. Spannend werden natürlich Sebastian Kurz und Norbert Hofer. Beide hochgradig gut ausgebildete Rhetoriker, die in Regierungsverantwortung waren und daher Scheinwerferlicht gewohnt sind. Auch Pamela Rendi-Wagner ist im stetigen Fokus, genauso Beate Meinl-Reisinger. Vielleicht ist Maria Stern aufgrund ihrer Biografie ein bisschen anders und damit im Gespräch etwas anders. Schauma mal.

STANDARD: Gecoacht sind sie alle.

Pötzelsberger: Natürlich. Aber das heißt nicht, dass Sie Persönliches nicht zulassen. Auch wenn man trainiert ist, kann man es mögen, einen ganz persönlichen Einblick zu geben.

STANDARD: Puls 4 absolvierte die Sommergespräche schon im Juli. Spielt das bei den Themen eine Rolle?

Pötzelsberger: Nein, es liegt genug Abstand dazwischen, und es hat sich ja auch einiges in der Zwischenzeit getan.

STANDARD: Werden die "Sommergespräche" im ORF persönlicher als jene auf Puls 4? Wie definieren Sie Ihren Stil?

Pötzelsberger: Das ist von der Situation abhängig. Ich würde meinen Stil als freundlich-insistierend beschreiben. Natürlich war die Ibiza-Sache etwas anders. Bei Ibiza-Gate habe ich vor allem mit Kollegen Interviews geführt, jetzt sind es Politiker. Das habe ich im Landesstudio Salzburg natürlich auch gemacht. Da waren genauso auch sehr harte Interviews dabei. Irgendwo in der Mitte wird es sich treffen.

STANDARD: Wie schaut die Vorbereitung aus, spielen Sie und Ihre Kollegen mögliche Situationen vorher durch?

Pötzelsberger: Wir überlegen uns mögliche Themenfelder. Ich mag es, mich breit vorzubereiten zu allen Themen, die wichtig sein könnten, und gehe dann ins Detail. Natürlich überlegen wir uns einen Leitfaden, setzen fest, was wir unbedingt behandelt haben wollen und was uns wichtig erscheint. Aber ich mache mir keinen strengen Fragenkatalog, ich finde, das kann auch einsperren. Ich arbeite eher mit Stichwörtern und habe eine super Redaktion im Rücken, die mir Tipps gibt – und auch einmal ins Ohrhorcherl flüstern kann, dass es Zeit für ein anderes Thema wäre.

STANDARD: Die "Sommergespräche" sind ein Format, das besonders kritisch beobachtet wird. Wie gehen Sie mit Kritik um?

Pötzelsberger: Ich bin nicht aus Teflon und keine Maschine. Aber nach 15 Jahren habe ich mittlerweile Erfahrung mit Kritik. Auch ein bisschen einen breiteren Rücken und eine dickere Haut. Warum ich in sozialen Medien nicht sehr aktiv bin, hat mit dem Aufwand zu tun. Es endet ja nicht damit, dass man etwas postet. Man muss dann ja immer wieder durchschauen, eventuell einen Konflikt moderieren. Dafür fehlt mir die Zeit.

Tisch, zwei Sessel, Tobias Pötzelsberger.
Foto: STANDARD, Corn

STANDARD: Vergangenes Jahr haben mit Hans Bürger und Nadja Bernhard zwei Personen die "Sommergespräche" moderiert. Macht es diese Doppelmoderation für Gäste oder Interviewer leichter oder schwerer?

Pötzelsberger: Für die Gäste ist es, denke ich, kein so großer Unterschied, wer die Fragen stellt. Für den Interviewer ist es natürlich etwas anderes. Wenn man sich gut kennt, kann das gut funktionieren. Ich habe Livediskussionen im Radio gelernt. Ich bin es deshalb gewohnt, dass ich allein am Ruder bin. Das ist mir ganz recht.

STANDARD: Nervt es Sie eigentlich, als Newcomer bezeichnet zu werden? Immerhin arbeiten Sie seit 2004 für den ORF.

Pötzelsberger: Ich bin ja für die meisten Leute tatsächlich ein Newcomer, und das ist ja überhaupt nichts Schlechtes. Zum Glück habe ich aber einiges an Erfahrung in der Hinterhand – und wenn es eine gewisse Neugier auf die "Sommergespräche" gibt, ist das ja auch gut für die Sendung.

STANDARD: Gibt es ein Vorbild, von dem Sie sagen: So würde ich gerne Interviews führen können?

Pötzelsberger: Vorbilder nicht, aber Menschen, die mich inspirieren. Ich habe Robert Hochner noch als Jugendlicher und junger Erwachsener erlebt. Der war auch freundlich-insistierend. Ich finde Caren Miosga super, auch Claus Kleber. Es ist auch hochinteressant zu sehen, wie Armin Wolf arbeitet und sich vorbereitet. In der Präsentation sind die amerikanischen Kollegen weit vorne, allen voran Anderson Cooper. Das sind für mich Inspirationen. Nacheifern tue ich aber niemandem, wäre wohl auch nicht sinnvoll.

Großer Beatles-Fan: Tobias Pötzelsberger.
Foto: STANDARD, Corn

STANDARD: Wenn Sie sich einen Interviewpartner aussuchen könnten, wer wäre das?

Pötzelsberger: Paul McCartney. Ich bin ein großer Beatles-Fan, ich finde, er ist ein Genie. Die Musik ist so großartig. Er ist auch so liebenswürdig, und er hat so viel erlebt. Von analog auf Band aufnehmen bis Spotify. Das wäre mein Liebling. Aber zum Trump würde ich auch nicht Nein sagen.

STANDARD: Was sind Ihre größten Stärken?

Pötzelsberger: Ruhe zu bewahren, aus dem Stegreif heraus etwas tun. Das lernt man vielleicht auch beim Musizieren, wenn etwas Unerwartetes passiert oder man eine Moderation zum nächsten Stück finden soll.

STANDARD: Bleibt gerade Zeit für Ihre Musik und Ihre Band The More or The Less?

Pötzelsberger: Für Musik schon, aber die Band liegt derzeit auf Eis. Unser zweites Album war schon fertig und alle Konzerte gespielt. Neue Lieder habe ich kurz vor Ibiza fertiggeschrieben, das Aufnehmen ist sich noch nicht ausgegangen. Aber ich spiele jeden Tag Gitarre, es stehen auch genügend herum, gut ein Dutzend. Jetzt hätte ich noch gerne eine Gibson aus dem Jahr 1951, aber leider: unbezahlbar. (Astrid Ebenführer, 25.7.2019)