Zuwendungen aus dem 2017 aufgelösten Wiener Stadterweiterungsfonds landeten unter anderem in Kirchen und in einer päpstlichen Uni. Das war laut Justiz korrekt.

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Die Spenden flossen üppig. Ob in Not geratene Polizistenfamilien, Erzdiözese Wien (250.000 Euro), Lions-Club Ostarrichi (50.000), St. Anna Kinderkrebshilfe (100.000 Euro), Israelitische Kultusgemeinde (50.000 Euro), Österreichischer Juristentag (10.000 Euro), Charity-Verein des Ex-Raiffeisenbankers Herbert Stepic (100.000 Euro), Akademie der Wissenschaften / Prof. Heinz Fassmann (25.000 Euro), der Ex-Chef des Österreichischen Integrationsfonds, der auch Geschäftsführer des Wiener Stadterweiterungsfonds war (7.000 Euro "Belohnung"): Über sie alle und noch viel mehr schüttete der zum Innenministerium ressortierende Wiener Stadterweiterungsfonds sein Füllhorn aus.

Allerdings widersprach das Tun der damals Verantwortlichen dem in der Fondssatzung festgeschriebenen Stiftungszweck des 1857 von Kaiser Franz Joseph I. gegründeten Fonds, wie die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) findet. Sie hat Anklage wegen Untreue mit einem Schaden von 1,1 Millionen Euro erhoben: gegen den Ex-Chef des Fonds (ein Ex-ÖVP-Funktionär) und drei Sektionschefs des Innenministeriums, von denen einer seit 2017 im Ruhestand ist. Sie trugen die Spenden zwischen 2007 und 2012 als Kuratoriumsmitglieder des Fonds mit. Einem von ihnen wirft die WKStA zudem Amtsmissbrauch vor. Da geht es um die 2009 vom Kuratorium beschlossene Satzungsänderung, die "rechtswidrig und nicht genehmigungsfähig war", heißt es in der Anklage, die dem STANDARD vorliegt.

Beschuldigte bestreiten

Notabene: Sie ist nach Einsprüchen der Angeklagten nicht rechtskräftig, es gilt die Unschuldsvermutung. Innenminister Wolfgang Peschorn gab jüngst bekannt, dass gegen die zwei Beamten Disziplinarverfahren eingeleitet werden. Er habe die Anklage erst vor kurzem erhalten.

Die Ermittlungen der WKStA liefen ab 2013. Ihren ersten Vorhabensbericht gaben die Staatsanwälte spätestens 2016 bei ihren Vorgesetzten ab. Sie sahen wesentlich mehr Spenden als strafrechtlich relevant an, es wäre um einen Schaden von drei Millionen Euro gegangen.

Allerdings legte die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien den Stiftungszweck offenbar viel weiter aus als die WKStA: Nach einer Weisung fielen jedenfalls Spenden im Volumen von zwei Millionen Euro aus dem ursprünglichen Anklagevorhaben raus. Die OStA begründete dies mit einer Satzungsänderung, mit der der Stiftungszweck im November 2009 wesentlich ausgedehnt wurde – von Wien aufs gesamte Bundesgebiet.

Erhaltung öffentlicher Gebäude

Blick zurück in die Geschichte: Mit Geld aus dem Stadterweiterungsfonds wurde unter Franz Joseph die Errichtung von Ringstraßengebäuden finanziert. Später floss sein Geld in Errichtung und Erhaltung öffentlicher Gebäude in der Wiener Innenstadt. Unter Innenminister Ernst Strasser kamen die drei beschuldigten Beamten ins Kuratorium des Fonds, dessen Immobilien wurden versilbert.

Es folgte das große Spendieren, die vier Beschuldigten hätten das Fondsvermögen fortan "ihnen nahestehenden Personen bzw. Organisationen" zugewendet, so die WKStA. Sie hätten ab da auch für soziale und karitative Zwecke (also nicht nur bauliche) gespendet. Damit hätten sie private und berufliche eigene Interessen verfolgt, so die Anklagebehörde.

Ein Empfänger war etwa die Österreichische Verwaltungswissenschaftliche Gesellschaft (2.500 Euro), deren Vizepräsident einer der Beschuldigten war. Die Erzdiözese Wien bekam 2008 eine kräftige Zuwendung, nachdem ein ranghoher Vertreter des Opus Dei einen Termin zwischen ihm, seinem Freund, dem Fondschef, und dessen Freund, einem Ex-Kabinettschef Strassers, und Christoph Kardinal Schönborn eingefädelt habe. Ihm habe der Fondschef eine Zuwendung für einen Kirchenbau vorgeschlagen. Schönborn habe dann um Subventionierung eines kirchlichen Zentrums u. a. auf dem Asperner Flugfeld ersucht. Es flossen: 250.000 Euro.

Hoher Kirchenorden

Etliche andere Kirchenspenden wurden (auf Weisung) nicht angeklagt. Sie könnten noch im Einklang mit dem Fondszweck gesehen werden, so die juristische Begründung. Dazu zählen etwa Spenden für die Jesuitenkirche und jene für die Peterskirche, die die WKStA auch auf die Freundschaft zwischen Fondschef und dem Verantwortlichen des Opus Dei (betreut die Peterskirche) zurückführt. Es flossen 105.000 Euro. Der Michaelerkirche spendete der Fonds 50.000 Euro; später verfasste deren Pfarrer ein Empfehlungsschreiben für die vier: zur Erlangung eines kirchlichen Ordens.

2012 bekamen sie das Ritterkreuz des Päpstlichen Silvesterordens. Übergeben hat es laut Anklage Kardinal Schönborn. (Renate Graber, 30.7.2019)