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Mehrere Tausend Anwältinnen und Anwälte demonstrierten in schwarzer Kleidung vor dem Hongkonger Justizministerium gegen den Umgang der Regierung mit den Protesten und das geplante Auslieferungsgesetz.

Foto: Reuters / Thomas Peter

Bei Chinas Zentralregierung steigt angesichts der anhaltenden Proteste in Hongkong die Nervosität. Und immer öfter sind aus Peking auch Äußerungen zu hören, die man als Vorbereitung auf einen Einsatz der Armee deuten kann. Zuletzt war am Dienstag Regierungssprecher Yang Guang überdeutlich geworden, als er sagte, die Volksbefreiungsarmee werde "jeden Teil chinesischen Territoriums verteidigen". Am Mittwoch legte sein Kollege Zhang Xiaoming, der Chef des chinesischen Büros für Hongkong- und Macau-Angelegenheiten, nach: Er bezeichnete die Lage in der Stadt als "schlimmste Krise seit der Rückgabe" Hongkongs an China 1997 durch Großbritannien.

Zuvor soll er nach Angaben von Teilnehmern bei einem geschlossenen Forum ausführlich Schriften des ehemaligen chinesischen Ex-KP-Chefs Deng Xiaoping aus den 1980er-Jahren zitiert haben. Deng äußerte darin die Ansicht, dass "die Zentralregierung intervenieren" müsse, wenn in Hongkong Chaos drohe, nannte aber – so wie chinesische Offizielle in den vergangenen Tagen immer wieder – einen Einsatz der Volksbefreiungsarmee zur Niederschlagung der seit 60 Tagen andauernden prodemokratischen Proteste nicht konkret als Handlungsmöglichkeit.

Ein Land, zwei Systeme

Andere Teilnehmer der Veranstaltung wurden deutlicher. Die ehemalige Justizministerin Hongkongs, Elsie Leung, sprach offen – wenn auch im Konjunktiv – über einen möglichen Einsatz. Dieser würde ihrer Meinung nach nicht zum Ende des bis 2047 garantierten Prinzips von "einem Land, zwei Systemen" führen, mit dem Hongkong auch nach der Übergabe an China viele Elemente seiner demokratischen und rechtsstaatlichen Verwaltungsstruktur sowie Meinungs- und Pressefreiheit aufrechterhalten konnte. ",Ein Land, zwei Systeme' würde auch nach einem Armeeeinsatz fortgesetzt werden", sagte sie den Zuhörern. Wie das funktionieren solle, erklärte sie aber nicht.

Die Demonstrationen in der Finanzmetropole gingen ungeachtet der Drohkulisse auch am Mittwoch weiter. Am Nachmittag zogen mehrere tausend in Schwarz gekleidete Männer und Frauen vor das Hongkonger Justizministerium. Die Mitglieder der Anwaltskammer demonstrierten damit ihre Gegnerschaft zum Umgang der Regierung mit den Protesten und zum geplanten Auslieferungsgesetz, das die Kundgebungen vor rund zwei Monaten ausgelöst hatte. Dieses war auch am Vortag wieder konkret zum Thema geworden, als bei einem Protest der Chef einer Studentenvereinigung, Keith Fong, verhaftet worden war. Ihm wirft die Polizei den Besitz einer "Offensivwaffe" vor – das Corpus Delicti ist laut Behörden ein Laserpointer. Ein solcher war zuletzt mehrfach verwendet worden, um Polizisten am Einsatz von Gesichtserkennungen zu hindern. Auf Facebook und in Whatsapp-Nachrichten wurde die Verhaftung als Beleg für den Kampf gegen das Auslieferungsgesetz gewertet.

Warnung vor Reisen

Angesichts der Unruhen warnen mittlerweile mehrere Staaten vor Reisen nach Hongkong. Großbritannien und Japan mahnen seit Juni zur Vorsicht, Australien zog am Mittwoch nach. Die USA warnen bisher nur vor "üblichen Gefahren in einer Großstadt". Österreichs Außenamt empfiehlt, lokale Medien zu verfolgen und Demonstrationen zu meiden.

Chinas Nervosität spiegelt sich indes in einer anderen Entscheidung. Erstmals seit langem dürfen chinesische Filmemacher nicht mehr zum Golden Horse Festival, dem chinesischen Äquivalent zur Oscar-Verleihung, nach Taiwan reisen. (Manuel Escher, 7.8.2019)