Jänner 2019: Soldaten gehen in Französisch-Guyana gegen illegale Goldsucher vor. Ihr Erfolg ist seit Jahren begrenzt.

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Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro will die Soforthilfe der G7-Staaten im Umfang von 20 Millionen Euro nur annehmen, wenn dies die brasilianische Souveränität nicht verletze, die Verwendung der Mittel in der Verantwortung Brasílias steht – und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron seine "Beleidigungen" zurücknimmt. Der verbale und überaus giftige Schlagabtausch zwischen den beiden Staatschefs birgt im Kern den Vorwurf Brasílias, Macron verhalte sich "kolonialistisch", indem er die nationale Souveränität des größten Landes Südamerikas bei der Brandbekämpfung im Amazonasgebiet infrage stelle.

"Kolonialdenken" – das Wort ist nicht hingeworfen. Während Brasilien eine portugiesische Kolonie war, verfügte das ehemals weltumspannende "Empire" Frankreichs in Südamerika seit dem 16. Jahrhundert über eine Sklavenkolonie. Sie mutierte später über die Stadt Cayenne zu einer Strafkolonie, die im Roman Papillon (verfilmt mit Steve McQueen) auf schaurige Weise verewigt ist. Heute ist das Übersee-Departement Guyana vor allem bekannt für seine Satelliten-Startrampe Kourou, an der auch Österreich über die Europäische Raumfahrtagentur Esa beteiligt ist.

Militäreinsätze im 19. Jahrhundert

Die im Regenwald verlaufende Grenze zwischen Brasilien und Französisch-Guayana sorgte immer wieder für böses Blut. Im 19. Jahrhundert kam es gar zu Militäreinsätzen zwischen Frankreich und dem mittlerweile unabhängigen Brasilien. Heute strömen Tausende von brasilianischen Migranten und Goldgräbern in das französische Gebiet. Es hat einen höheren Lebensstandard als seine Nachbarn Surinam und Brasilien, lebt aber vor allem von Subventionen: 90 Prozent seiner Wirtschaft sind in Guyana staatlich finanziert, 31 Prozent der 270.000 Einwohner sind Beamte.

Französisch-Guyana ist fast nur an der Küste besiedelt; 97 Prozent seines Territoriums bestehen aus gut erhaltenem Regenwald. Macron betonte auf dem G7-Gipfel, Frankreich besitze damit das fünftgrößte Waldgebiet der neun Amazonas-Anrainer. Fast die Hälfte ist geschützte Naturschutzzone – viel mehr als anderswo. Das Problem der Brandrodungen ist deshalb vergleichsweise weniger gravierend als in Brasilien.

Mehr Bergbaulizenzen

Doch auch Guyana leidet unter massiven Umweltschäden. Seit 2016 vergibt Paris mehr Bergbaulizenzen an internationale Konzerne. Ein Verband der amerindischen Völker warf Macron am Sonntag vor, er prangere die Amazonas-Zerstörung in Brasilien und Bolivien an, habe aber "in Guyana 360.000 Hektar Wald multinationalen Bergbaumultis zugesprochen". Immerhin hat Paris das von Umweltschützern und Eingeborenen bekämpfte russisch-kanadische Goldschürfprojekt Montagne d'Or zurückgewiesen.

In Französisch-Guyana roden aber auch illegale Goldsucher zehntausende Hektar Wald. Mit Quecksilber und Blausäure vernichten sie die Biosphäre bis in die Tiefe. Die in Guyana stationierten Fremdenlegionäre versuchen, dieser Plage mit der Operation Harpie seit 2008 Herr zu werden. Der Erfolg ist begrenzt. Im Juli sind bei einem Angriff auf eine wilde Goldgräbersiedlung drei Soldaten ums Leben gekommen.

Kritik von Frankreichs Grünen

Alles in allem ist das ökologische Verhalten Frankreichs in Guyana alles andere als vorbildlich. Nicht Bolsonaro, sondern die französischen Grünen meinen deshalb, Macron sollte sich nicht länger als "Schutzherr Amazoniens" aufspielen.

Dort, genauer gesagt in Leticia im Dreiländereck Kolumbien-Brasilien-Peru, wird am 6. September ein regionales Dringlichkeitstreffen für einen Regenwald-Schutzpakt stattfinden. Bolsonaro hat am Dienstag seine Teilnahme zugesagt. (Stefan Brändle aus Paris, 28.8.2019)