Der Kopf ist oft der köstlichste Teil des Tiers, und ganz besonders köstlich ist der Kopf von Garnelen. Überzeugte Garnelen-Connaisseure bestehen daher darauf, ihr Krustentier komplett serviert zu bekommen (je stattlicher, desto besser), und schlürfen zunächst einmal genüsslich den Kopf großer Exemplare aus, bevor sie sich dem Schwanzfleisch widmen – ein herrlich urig-meeriger Genuss, der grobe Bruder des Seeigels, jodig, salzig und gern ein wenig bitter.

Ich persönlich liebe diesen kurzen Garnelen-Kick, kann aber verstehen, dass das nicht jedermanns Sache ist. Aber auch jene, denen das zu viel des Guten ist, sollten den Shrimpskopf (siehe Fußnote unten) keinesfalls verachten. Ordentlich durchhitzt, verliert er viel seines herben Bisses – was bleibt, ist pures Krustentieraroma. Am allerbesten lässt sich das extrahieren, indem man die Köpfe in Öl oder Butter knusprig brät – wie so viele Aromastoffe sind nämlich auch jene der Shrimps besser fett- als wasserlöslich.

Foto: Tobias Müller

Das Ergebnis ist das perfekte Würzöl für Meeresfrurchtfans: ideal, um Eintöpfe zu verfeinern, Suppen aufzupeppen oder einfach die garneligste Garnelenpasta aller Zeiten zu kochen. Bei kleineren Exemplaren können die knusprigen Köpfe noch gesalzen und wunderbar wie Chips gesnackt werden. Ein Campari Soda passt perfekt dazu.

Nach einigen Monaten des Garnelenstudiums in Süditalien kommt mir vor, dass jene Shrimps, die bereits vor dem Kochen rot sind, mehr Aroma haben als ihre blassblaugrauen Verwandten – ganz abgesehen davon, dass sie dem Öl eine noch prächtigere rote Farbe geben. Wenn Sie Zeit und Lust haben, vergleichen Sie doch beide Varianten und posten hier Ihre Ergebnisse.

Ähnlich wie mit den Köpfen verhält es sich übrigens mit den Schalen der Tiere: Gebraten oder gegrillt sind sie bei kleineren Garnelen nicht nur problemlos, sondern mit großem Genuss ess- beziehungsweise knusperbar. Weil Garnelenschälen zudem äußerst mühsam ist, koche und esse ich sie so gut wie immer mit Schale – probieren Sie es einmal aus, es lohnt sich. Und selbst wenn Sie den Crunch nicht mögen, sollten Sie sie zumindest erst nach dem Kochen schälen: Sie enthalten einerseits selbst Aromastoffe, andererseits verhindern sie, dass die Garnele beim Garen austrocknet und Geschmack verliert.

Ein wenig Garnelentheorie

Garnelen gehören in Österreich zu den wenigen Fällen, wo Tiefkühlware meist die bessere Kaufentscheidung ist (mir fallen sonst noch Erbsen ein). In jenem Teil des Shrimps, den wir umgangssprachlich den Kopf nennen, stecken all seine Organe, auch seine Leber, die der geschmacksintensivste Teil des Tieres ist. Leider enthält er auch jede Menge Enzyme, die, sobald das Tier einmal tot ist, beginnen, sein Muskelfleisch zu zersetzen und weich zu machen. Um das zu verhindern, können Shrimpsfänger entweder sofort den Kopf entfernen (was sehr schade wäre) oder sie umgehend einfrieren. Das stellt sicher, dass die Enzyme das Fleisch (vorerst) in Ruhe lassen.

Wenn Sie nicht direkt am Meer bei einem Shrimpsfänger oder neben einer Shrimpsfarm wohnen (die gibt's ja mittlerweile auch in Tirol), kaufen Sie ihre Shrimps daher lieber noch gefroren. "Frische", also nicht gefrorene Shrimps bei Ihrem österreichischen Fischhändler sind ohnehin meist einfach nur bereits aufgetaute Tiefkühlware. Wenn Sie sich nicht sicher sind, fragen Sie nach! Sowohl bei aufgetauten als auch bei frischen Shrimps sollten Sie den Kopf so schnell wie möglich vom Schwanz trennen. Wenn ich von meinem Fischhändler mit frischen Garnelen nach Hause komme, köpfe ich sie umgehend, sobald ich zu Hause bin, und hebe Köpfe und Schwänze bis zum Kochen getrennt auf.

Foto: Tobias Müller

Die garneligste Garnelenpasta (für zwei)

200 Gramm lange Pasta (etwa Linguine)

300 Gramm Garnelen mit Kopf

Nicht zu wenig Butter oder Olivenöl

2 Knoblauchzehen, gehackt

1 bis 2 Chili, gehackt

Zeste und Saft einer Zitrone (Weil Sommer ist und hier in Neapel also nicht Zitronensaison, habe ich stattdessen einen Esslöffel meiner fermentierten Salzzitronen verwendet.)

Ein wenig Petersil, gehackt

Salz

Ein Hauch/eine Messerspitze Backpulver

Optional: ein paar Cocktailtomaten und/oder schön scharfe Rucolablätter

Frischer, leichter Mittagsweißwein

Garnelenköpfe abtrennen, bei Lust und Laune den Darm herausziehen und die Garnelen je nach Größe und persönlicher Präferenz schälen. Die Garnelen gut salzen und mit ein wenig Backpulver bestreuen und etwa 30 Minuten kalt ziehen lassen – ein Trick, den die Chinesen gern für Har Gao verwenden und der dafür sorgt, dass sie knackiger bleiben.


Foto: Tobias Müller

Wasser salzen, zum Kochen bringen, die Pasta hineingeben und al dente kochen. Wie immer gilt: Nur so viel Wasser verwenden, dass es die Pasta gerade ein wenig bedeckt.

Währenddessen Olivenöl oder, fast noch besser, Butter in einer Pfanne auf mittlerer Hitze heiß werden lassen. Die Garnelenköpfe und eventuell die Schalen darin braten, bis das Fett eine wunderbar rote Farbe hat und die Köpfe rundum schön knusprig sind, etwa fünf bis sieben Minuten.

Foto: Tobias Müller

Mit einem Schaumlöffel herausheben, gut abtropfen lassen, salzen, ein paar gleich knuspern, ein paar für später zum Anrichten aufheben.

Foto: Tobias Müller

Die Hitze hochschalten und die Garnelen im Öl kurz scharf braten, bis sie etwas Farbe angenommen haben, aber innen noch schön glasig sind. Es geht mehr darum, dass die Schale knusprig wird, als die Garnele zu kochen. Sie wollen Sie lieber unter- als übergaren, sie werden nachher in der heißen Pasta noch nachziehen. Mit dem Schaumlöffel aus der Pfanne heben, abtropfen lassen und für später zur Seite stellen. Bei sehr kleinen, geschälten Garnelen können Sie sich das Anbraten auch sparen und sie später nur mit der Resthitze der Nudeln und der Sauce garen.

Den gehackten Knoblauch, die Chili und die Zitronenzeste kurz im Garnelenöl braten – der Knoblauch soll nur ein wenig Farbe nehmen, aber nicht verbrennen. Wer will und welche zur Hand hat, wirft auch noch ein paar Cocktailtomaten hinein. Mit einem Schöpflöffel Pastakochwasser ablöschen. Auf hoher Flamme einkochen lassen und wieder etwas Pastakochwasser zugeben. So lange wiederholen, bis eine sämige Sauce entsteht und/oder die Pasta gar ist.

Foto: Tobias Müller

Die Garnelen zur heißen Sauce geben und ganz kurz durchwärmen. Die Nudeln abgießen (einen Schöpfer Kochwasser aufheben) und zur Sauce geben. Zitronensaft, Petersil und, falls verwendet, Rucola dazugeben, gut durchmischen und eventuell die Konsistenz der Sauce mit dem Pastakochwasser perfektionieren.

Foto: Tobias Müller

In vorgewärmten Tellern anrichten, für gute Gäste mit knusprigen Garnelenköpfen garnieren und sofort servieren. Den leichten Weißwein ja nicht vergessen.

Foto: Tobias Müller

(Tobias Müller, 22.9.2019)

(Fußnote: Ich verwende die Worte Garnele und Shrimp hier für die gleiche Art von Tier: Ein Krustentier ohne Scheren. Nach ein wenig googeln kommt mir vor, dass das viele so halten. Falls Sie Meeresbiologe sind und sich daran stoßen: Ich freue mich über Aufklärung!)