Brüssel – Der Rechtsausschuss des Europaparlaments hat der kommenden EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen ziemlichen dicken Strich durch ihre Rechnung gemacht. Zunächst lehnte das Gremium am Donnerstag die rumänische Kommissarsanwärterin Rovana Plumb nach einem außerordentlichen Hearing mehrheitlich ab. Für die designierte Verkehrskommissarin im Team von Präsidentin Ursula von der Leyen stimmten am Donnerstag sechs Ausschussmitglieder, gegen sie 15, zwei enthielten sich. Damit ist Plumbs Kandidatur gescheitert.

Auch der als Erweiterungskommissar vorgesehene Ungar László Trócsányi schaffte kurz darauf die Hürde nicht. Elf Ausschussmitglieder stimmten gegen und neun für ihn, zwei enthielten sich der Stimme.

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Rovana Plumb fiel im Rechtsausschuss des EU-Parlaments durch.
Foto: Reuters/FRANCOIS LENOIR

Mit Anti-EU-Rhetorik ins EU-Parlament

Mit der Europaabgeordneten Plumb schickte die rumänische Regierung von Ministerpräsidentin Viorica Dăncilă (Postkommunisten, PSD) nicht nur die Wunschkandidatin des inzwischen inhaftierten Ex-Parteichefs Liviu Dragnea, sondern auch eine Politikerin, deren gravierende Integritätsprobleme sie nun einholten.

Tage vor seiner rechtskräftigen Verurteilung im Mai hatte der Autokrat Dragnea in einer Talkshow erstmals eröffnet, die 59-Jährige als Kommissarsanwärterin aufstellen zu wollen: Rumänien brauche in Brüssel jemanden, "der die Interessen des eigenen Landes vertritt", sagte er im Beisein Plumbs, die vor laufenden Kameras prompt in Freudentränen ausbrach. Im Europawahlkampf hatte die PSD-Spitzenkandidatin auf dezidiert EU-feindliche Rhetorik gesetzt, davor als Abgeordnete sämtliche Attacken ihrer Partei auf Rechtsstaat und Justiz vehement verteidigt.

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Der ehemalige ungarische Justizminister László Trócsányi hat es ebenfalls nicht geschafft.
Foto: AP/Szilard Koszticsak

Die studierte Chemieingenieurin Plumb gehört zum Parteiurgestein. Sie gilt als loyale Parteisoldatin, weswegen sie von den PSD-Chefs auch stets gefördert wurde. 2012 wurde sie erstmals zur Ministerin (Umwelt) ernannt. Ab 2016 stand sie dem Arbeits- und später dem Ressort für EU-Mittel vor. Dass die frühere Kosmetikaexpertin in der neuen EU-Kommission nun just für Verkehr zuständig sein sollte, sorgte in Rumänien – dem EU-Land mit der marodesten Verkehrsinfrastruktur überhaupt – für Belustigung.

Korruptionsermittlungen in Inselcausa

Plumbs unbedingter Parteigehorsam wurde ihr 2017 fast zum Verhängnis: Die Antikorruptionsbehörde DNA unter der damaligen Leitung von Laura Kövesi warf ihr Amtsmissbrauch vor und beantragte die Aufhebung ihrer Immunität. Als Umweltministerin habe sie 2013 die in Staatsbesitz befindliche kleine Donau-Insel Belina rechtswidrig umgewidmet beziehungsweise an die Kreisverwaltung Teleorman abgetreten, der Dragnea jahrelang vorgestanden war, erklärte die DNA.

Die Kreisverwaltung verpachtete den Landstrich anschließend zu einem Spottpreis einer Firma von Dragneas Sohn Stefan, die Insel diente dem PSD-Chef fortan als privates Angler-Paradies. Die in die Bredouille geratene Plumb wurde letztlich von ihrer Partei vor dem drohenden Ermittlungsverfahren gerettet – die Parlamentsmehrheit lehnte die Aufhebung ihrer Immunität ab. Nach dem Votum, das ihr zu Straffreiheit verhalf, sprach Plumb von einem "Sieg des Rechtsstaates".

Von den 26 geplanten Kommissarinnen und Kommissaren muss die designierte Kommissionschefin Ursula von der Leyen bereits zwei Namen streichen.
Foto: APA

Doch ist die Belina-Affäre für sie noch nicht ausgestanden, der Wechsel nach Brüssel barg neue Risiken. Nach rumänischem Recht sind Staatsanwälte nämlich berechtigt, bei neuen Erkenntnissen in einer Causa abermals strafrechtliche Ermittlungen gegen den Verdächtigen zu beantragen. Da Plumbs mutmaßlicher Amtsmissbrauch 2013, ergo lange vor ihrem Einzug ins EU-Parlament, stattfand, ist nach rumänischem Recht der Staatspräsident derjenige, der einem neuen Antrag der Staatsanwälte gegen die Ex-Ministerin stattzugeben hat.

Selbst Parteikollegen scheinen mit dieser Wende zu rechnen, zumal sich die restlichen Verdächtigen in der Belina-Affäre längst vor Gericht zu verantworten haben: "Achtung: Ein EU-Kommissar genießt keine Immunität", ließ der Sozialdemokrat und frühere Europaabgeordnete Ioan Mircea Pașcu seine Kollegin vergangenen Monat wissen.

Intransparente Vermögensverhältnisse

Auch Plumbs schleierhafte Vermögensverhältnisse, die in den vergangenen Tagen nun auch den Rechtsausschuss des Europaparlaments alarmierten, könnten sie erneut ins Visier der rumänischen Korruptionsjäger bringen: Die Politikerin gehört seit Jahren zu den großzügigsten Spendern ihrer Partei, die sie mit schöner Regelmäßigkeit mit Summen beglückt, die weit über ihren offenbarten Einkommen liegen.

Erst vor der Europawahl vom Mai spendete Plumb der PSD laut rumänischer Wahlbehörde 800.000 Lei (umgerechnet rund 170.000 Euro), die sie sich von einer natürlichen Person geliehen haben will. 2017 hatte sie die gleiche Masche angewandt: Sie spendete der PSD 63.000 Lei (rund 13.500 Euro), die sie sich nach eigenen Angaben von einem lokalen Unternehmer aus ihrer Hochburg Dâmbovița lieh. Wenig später wurden dessen beiden Söhne zu Amtsträgern ernannt – der eine zum Berater der Arbeitsministerin Plumb, der andere zum Staatssekretär im Umweltressort.

Im Vergleich dazu mutet ihr Versuch, als Umweltministerin eine von ihr selbst erlassene Sonderabgabe für Pkw zu umgehen, indem sie ihren Audi Q7 in Bulgarien registrieren ließ, schon fast als Kavaliersdelikt an. (APA, red, 26.9.2019)