Wenn er so weitermacht und tatsächlich in die Opposition strebt, wird Norbert Hofer nicht mehr lange FPÖ-Chef sein. Hofer wird nicht müde zu betonen, er müsse den Kopf für den von Heinz-Christian Strache hinterlassenen Scherbenhaufen hinhalten. Ibiza hätte er noch ausbügeln können, aber gegen die Spesenaffäre so kurz vor der Wahl habe nicht einmal mehr die blaue Doppelspitze mit Herbert Kickl etwas ausrichten können, beteuert er.

Zwei der mächtigsten Männer der Freiheitlichen versuchen die jüngste Parteivergangenheit abzustoßen. Es stimmt, beide waren nicht mit auf Ibiza. Dass sie von der großzügigen Spesenregelung des Ex-Parteichefs und Philippa Straches Gehalt nichts wussten oder ahnten, ist hingegen völlig unglaubwürdig.

In der Abgrenzung zu Strache sind sich Hofer und Kickl zwar einig. Dennoch sind die beiden längst kein so harmonisches Duo, wie sie der Öffentlichkeit weismachen wollen. Dass Hofer jetzt Dritter Nationalratspräsident werden will, kann Kickl nur Recht sein: Damit bleibt ihm die einflussreiche Rolle des Klubobmanns, während Hofer auf das Repräsentieren beschränkt wird und Einfluss in der eigenen Partei verliert.

FPÖ-Chef Norbert Hofer strebt die Position des Dritten Nationalratspräsidenten an.
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Offenbar glaubt Hofer, dass ihm das Parlamentsamt als Startrampe für den nächsten Präsidentschaftswahlkampf nützt. Damit dürfte er sich irren. Seine Chancen hat er mit untragbaren Aussagen jetzt schon deutlich geschmälert. Er bezeichnete Klimaaktivisten noch im Wahlkampf als Anhänger einer "Zöpferldiktatur" und verleumdete die Grünen erst diese Woche als "Weltuntergangssekte". Ja, geht's noch? Bei Hofer scheint noch nicht angekommen zu sein, dass sich die Einstellung der breiten Bevölkerung zum Klimawandel seit der letzten Hofburg-Wahl 2016 gewandelt hat. Wer dieses Problem nicht ernst nimmt, wird nicht auf eine Mehrheit kommen.

Scharfmacher vom Dienst

Mit seiner angestrebten Rolle als Dritter Nationalratspräsident wird Hofer sich weiter selbst sabotieren: In dieser Position muss er überparteilich agieren. Dass er das grundsätzlich kann, hat er bewiesen, er hatte dieses Amt bereits inne. Dass er seine eigenen Mandatare am häufigsten zurechtwies, lag allerdings weniger an seiner strengen Amtsführung als am Naturell seiner Partei. Die FPÖ ist nun einmal die FPÖ und benimmt sich auch so.

Wenn Hofer nun aber gezwungen wäre, dem Scharfmacher vom Dienst, seinem eigenen Klubchef, massenhaft Ordnungsrufe zu erteilen und ihn zurückzupfeifen, wird er sich nicht nur innerparteilich aufreiben. Diese hochkomplexe Gymnastikübung mit allerlei Verrenkungen wird ihn politische Glaubwürdigkeit kosten. Wie staatstragend, vermittelnd und kalmierend kann ein oppositioneller blauer Parteichef außerhalb des Parlaments schon sein, ohne seine Kernwählerschaft vor den Kopf zu stoßen?

Nach der Neuaufstellung der Blauen wird es nicht lange dauern, bis sich hochrangige Funktionäre daran stoßen, wie der eigentliche starke Mann der FPÖ – Vorzugsstimmenkaiser Kickl – permanent gemaßregelt wird. Dieser hat in den vergangenen Jahren bewiesen, dass ein Parteichef seiner Gnade bedarf. Jetzt könnte er noch mehr wollen – den Platz an der Spitze.

Mit seiner Entscheidung, in die Präsidiale zu gehen, bricht Hofer also nicht nur mit einer bewährten österreichischen Tradition, sondern sägt auch selbst an seinem Obmannsessel und ebnet Kickl den Weg. (Fabian Sommavilla, 17.10.2019)