Die frühere wilde Abgeordnete Martha Bißmann während einer Nationalratssitzung in der letzten Gesetzgebungsperiode.

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Einsam ist es ohne Nachbarn in der letzte Reihe des Plenums: Sitzt Philippa Strache im Nationalrat nur Zeit ab oder kann sie doch etwas bewirken?

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Wien – Die Stille kann einen fertigmachen. Es gebe kaum Deprimierenderes, als wenn nach einer engagierten Rede kein Mensch klatsche, sagt Marta Bißmann: "Das ist psychologisch das Schlimmste, was dir passieren kann."

Während die Mandatare im Nationalrat bei jeder Rede eines Fraktionskollegen pflichtbewusst paschen, konnte sich Bißmann auf Applaus nie verlassen. Nach ihrem Rauswurf aus der Liste Pilz saß sie ein Jahr als "wilde" Abgeordnete im Hohen Haus, gehörte also keinem Klub an – und ist damit Role-Model für eine prominente Nachfolgerin. Philippa Strache ist mangels politischer Heimat am Mittwoch ebenfalls als "Wilde" ins Parlament eingezogen.

Laut Parlament gab es bisher 61 Volksvertreter, die sich vor oder im Laufe der Legislaturperiode mit ihrer Partei zerkracht haben. Als Pionier gilt der von der SPÖ ausgeschlossene Ex-Innenminister und ÖGB-Boss Franz Olah, andere prominente Wilde waren Grünen-Mitbegründer Josef Buchner, die einstigen Blauen Walter Meischberger und Susanne Winter oder zuletzt das grün-türkise Enfant terrible Efgani Dönmez. Das Außenseiterdasein bringt einen Platz in der letzten Reihe des Plenums, aber auch weiterhin das Abgeordnetengehalt von 14-mal 8930,90 Euro im Jahr.

Machtlos im Parlament

Um Sympathien werben, Verbündete in den Parteien suchen: Dies ist der Tipp, den Bißmann Strache auf den Weg gibt. Denn "Wilde" allein sind im parlamentarischen Betrieb weitgehend machtlos, viele Rechte hängen am Klubstatus, für den es fünf Abgeordnete braucht: Solokämpfer können weder Anträge, etwa für Gesetze, noch schriftliche Anfragen an Minister einbringen – für all das benötigen sie zumindest vier weitere Stimmen von Mandataren. In den Ausschüssen, wo die Sacharbeit im Nationalrat passiert, dürfen sie so oder so nur zuhören, aber nicht mitreden.

Nein, es ist ihr nicht gelungen, ein Gesetz durchzusetzen, sagt Bißmann, doch das gelte in der Regel für die ganze Opposition. Von Hilflosigkeit sei keine Rede: Weil wilden Mandataren die halbe Redezeit der kleinsten Fraktion gebühre, stehe eine große Bühne für Anliegen parat. Außerdem sei es verblüffend, wie leicht sie Zugang zu Ressortchefs gefunden habe: So habe sie beim damaligen Finanzminister Hartwig Löger unter vier Augen für ihre Klimaschutzideen werben können – in der Hoffnung, dass sich das in der Regierungspolitik niederschlägt.

Falle hinter den Kulissen die Parteimaske, "sind alle erstaunlich freundlich", sagt Bißmann: "Ich habe mich sehr ernst genommen gefühlt – und einen gewissen Welpenschutz gibt es auch." (Gerald John, 24.10.2019)