Die neue Mobilfunkgeneration bringt auch neue Möglichkeiten für Telekomanbieter. Regulierungsbehörden verhandeln aktuell darüber, wie sie in Zukunft rechtlich gehandhabt werden sollen.

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Die neue Mobilfunkgeneration 5G ist bereits in aller Munde. Mit ihr sollen auch die jetzigen Regeln zur Netzneutralität angepasst werden. Wer in der EU im Internet surft, profitiert: Die Netzneutralität gilt seit 2016 und sieht vor, dass sämtliche Daten im Netz gleich behandelt werden müssen. Zwar gibt es rechtliche Eigenheiten wie das sogenannte "Zero-Rating" – bestimmte Dienste zum Nulltarif -, im Großen und Ganzen müssen die Vorgaben aber eingehalten werden. Mit 5G prüft die Politik nun, ob eine Anpassung der Gesetzeslage notwendig ist – etwa fordern Strafverfolger den Einbau von Hintertüren zu Überwachungszwecken. Ebenfalls Thema ist die Netzneutralität. 5G wird Telekomanbietern nämlich weitere technische Mittel in die Hand legen, die zur Anpassung des Geschäftsmodells genutzt werden könnten. So kündigten große Mobilfunker wie "3" und T-Mobile bereits an, private Netzwerkbereiche für Unternehmen anzubieten.

Network Slicing

"Network Slicing", erstmals durch 5G möglich, erlaubt den Betrieb beliebig vieler virtueller Netzwerke über eine physische Infrastruktur. Diese können dann in verschiedene Geschwindigkeitsstufen eingeteilt werden, die auch im Falle einer Überlastung dynamisch angepasst werden. Das heißt: Nutzen zu viele User gleichzeitig das Netz, muss es gezwungenermaßen bei jemandem gedrosselt werden. Offen ist nun, wie das rechtlich gehandhabt wird. Die Mobilfunker werben zwar mit schnellerem Internet und besserer Leistung, jedoch könnten fehlende rechtliche Schranken bei der Produktgestaltung zu einer lukrativen Erlösquelle auf Kosten der Nutzer führen.

Aktuell ist das Dachgremium der europäischen Regulierungsbehörden, Berec (Body of European Regulators for Electronic Communications, zu Deutsch auch Gerek), damit beschäftigt, das entsprechende Regelwerk zu überarbeiten. Die Grundrechts-NGO Epicenter Works ist maßgeblich an den dazu geführten Verhandlungen beteiligt. Wie Geschäftsführer Thomas Lohninger im STANDARD-Gespräch erklärt, sei die Behörde aktuell der Ansicht, dass Nutzer selbst entscheiden können sollen, welche Netzwerke sie nutzen möchten – beispielsweise Slices, die besonders bandbreitenoptimiert sind. "Das ist die Kontrolle durch Kunden, die wir uns gewünscht haben", sagt Lohninger. Offen ist, wie Anbieter die Thematik handhaben werden und ob sie beispielsweise bestimmte virtuelle Netzwerke nur mit einem vorgegebenen Datenvolumen ausliefern.

Zero Rating und Netzneutralität

Ein weiterer zentraler Streitpunkt der Regelung dreht sich um das sogenannte "Zero-Rating", bei dem bestimmte Dienste oder auch Anwendungsgruppen angeboten werden, deren Nutzung sich nicht auf das reguläre Internetvolumen auswirkt. Hierzulande kennt man das etwa bei dem Mobilfunker A1 und seinem "Free Stream"-Angebot, das Streamingdienste wie Netflix, aber auch Messenger-Dienste wie Whatsapp beinhaltet. Solche Produkte wurden bisher nicht explizit verboten.

Das hat etwa in Ländern wie Portugal dazu geführt, dass die Preise für mobiles Datenvolumen in den vergangenen Jahren kaum gesunken sind. Aus Sicht von Epicenter Works, das dazu eine Studie durchgeführt hat, sei Zero-Rating ungesund für den Mobilfunkmarkt. "Berec bezieht sich auf unsere Kritik, es fehlt aktuell aber die rote Linie", sagt Lohninger. Kein einziges Zero-Rating-Angebot wurde in den vergangenen Jahren verboten – der aktuelle Text würde auch nichts ändern. Zwar gebe es innerhalb der Regulierungsbehörden laute Stimmen gegen Berec. "Aber dann muss sich die EU-Kommission als Hüterin des digitalen Binnenmarkts die Frage gefallen lassen: Wieso tut sie da nichts? Man hat den Eindruck, dass sie das Problem verstanden hat, aber trotzdem sehr sanft auftritt."

Kinderschutzmaßnahmen

Thema sind zudem Parental Controls, die freiwillige Sperre von Inhalten zu Kinderschutzzwecken. Eine solche "Kindersicherung" bieten hierzulande etwa Mobilfunker wie "3" und A1 an. Die Netzneutralität sieht allerdings auch in ihrer jetzigen Fassung vor, dass Datenverkehr gleich behandelt wird. "Sperren dürfen nur in Ausnahmefällen nach einer Prüfung erfolgen. Dafür braucht es eine richterliche Anordnung oder die Entscheidung einer kompetenten Behörde", sagt Lohninger.

Das gilt allerdings nur für Blockierungen, die direkt im Netz geschehen – somit sind über den Router konfigurierte Filter erlaubt, Angebote wie die "A1 Kindersicherung" wohl aber nicht. Bisher hat es aber keine Verwarnungen gegeben – und wie die Zukunft dieser Vorgabe aussehen wird, ist auch noch unklar.

Überwachung

Ebenfalls in der Luft hängt der Umgang mit Deep Packet Inspection, der Überwachung von Datenverkehr in Echtzeit. Das geschieht etwa bei Zero-Rating bis zu einem gewissen Grad, da hier erst unterschieden werden muss, ob jemand beispielsweise einen Streamingdienst aufsucht oder anderswo im Netz surft. Vor allem Mobilfunker erhoffen sich, durch eine laxere Regelung die gesammelten Informationen über ihre Nutzer zu monetarisieren. Im Mai warnten 45 Datenschützer, NGOs und Akteure aus der Zivilgesellschaft in einem offenen Brief vor der Zunahme von Deep Packet Inspection durch Mobilfunker.Berec sammelt bis zum 28. November Vorschläge von Stakeholdern, dann wird weiterverhandelt. Im März 2020 sollen die neuen Regeln stehen. (Muzayen Al-Youssef, 6.11.2019)